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Bildung und Arbeit für Flüchtlinge in Bayern.

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Endlich angekommen?

Die elfköpfige Familie Azem hat eine lange Flucht durch ganz Europa hinter sich. In Deutschland sind sie schon über zwei Jahre. Sich in ihrem neuen Leben einrichten, damit haben sie gerade erst angefangen.

Bis zu ihrer überstürzten Flucht am 23. September 2016 aus Syrien, hat die Familie in Damaskus gelebt. Der Vater ist bei der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate angestellt. Bis Kriegsbeginn gehen seine älteren Kinder zur Schule, die älteste Tochter Dyana ist an der Universität eingeschrieben. Eines Tages fordern Mitglieder der oppositionellen syrischen Befreiungsarmee Geld vom Vater für ihren Kampf gegen die syrische Regierung. Herr Azem weigert sich zu zahlen.
Beim nächsten Mal sind sie bewaffnet und drohen, seinen damals 15jährigen Sohn Amer mitzunehmen. Daraufhin zahlt Herr Azem. Nach ein paar Wochen stürmen bewaffnete Regierungssoldaten das Haus der Familie und nehmen Vater und Sohn mit. Beide werden über Nacht gefangen gehalten. Ein bekannter Offizier bewirkt, dass beide am nächsten Tag freigelassen werden. Er rät der Familie dringend, so bald wie möglich Syrien zu verlassen. Ihr Leben ist in Gefahr.

 

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Foto: Veronika Mergenthal

 

Die Familie entschließt sich ihre Heimat zu verlassen. Zu elft überqueren sie die Grenze zur Türkei. Ihr Ziel ist von Anfang an Deutschland. In Bulgarien werden sie von der Polizei aufgegriffen und in ein Flüchtlingslager gebracht. Die Lebensbedingungen sind extrem schlecht. Es gibt keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen oder die Sprache zu erlernen.
Als das jüngste Kind an Bronchitis erkrankt, entschließen sich die Eltern nach Sofia zu gehen, nur dort kann ihre Tochter medizinisch versorgt werden. Ohne finanzielle Unterstützung von bulgarischer Seite schlägt sich die Familie eine Weile durch. Nach fünf Monaten bezahlt der Vater mit den letzten Geldreserven die Weiterflucht nach Deutschland. Im Frühjahr 2014 kommen sie in Freilassing an. Die Großfamilie wird in Berchtesgaden in einem ehemaligen Hotel untergebracht. Endlich fühlt sich die Familie in Sicherheit. Alle werden herzlich aufgenommen, ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer bemühen sich, der Familie das Ankommen leichter zu machen. Bis auf das jüngste Kind gehen alle anderen Geschwister schon kurz nach ihrer Ankunft in die umliegenden Kindergärten und Schulen. Die Kinder fühlen sich schnell wohl in dem kleinen Ort. Sie lernen innerhalb weniger Monate Deutsch und finden schnell Freunde. Die zwei älteren Söhne Murat und Amer sind motiviert und machen nach einem Jahr ihren Schulabschluss. Dyana verfolgt ehrgeizig ihren größten Wunsch, in Deutschland endlich mit dem Zahnmedizinstudium zu beginnen. Sie belegt Sprachkurse und beginnt ein Praktikum in einer Zahnarztpraxis.

Dann der große Schock, im März 2015 wird ihr Asylantrag abgelehnt, sie sollen nach Bulgarien abgeschoben werden. Dort hatte die Familie einen Asylantrag gestellt und war anerkannt worden. Eine Flucht als elfköpfige Großfamilie, davon acht minderjährige Kinder, das Jüngste damals sechs Monate alt, ist schwierig und langsam. Wer kennt schon die deutschen Asylgesetze, die besagen, wer einmal in einem sogenannten sicheren EU-Drittstaat einen Aufenthalt bekommen hat, dem bleibt das Asylverfahren in Deutschland verwehrt.


Für Familie Azem beginnt ein mühsames und nervenaufreibendes Verfahren. Ein Anwalt wird eingeschaltet, der für die Familie gegen die Ablehnung Klage einreicht. Der Bayerische Flüchtlingsrat begleitet die Azems während des ganzen Verfahrens und steht in engem Kontakt mit Dyana, den Ehrenamtlichen und dem Anwalt. Murat hat einen Ausbildungsplatz, den er nicht wahrnehmen kann. Die Ausländerbehörde hat ihm wegen des abgelehnten Asylantrags ein Ausbildungsverbot erteilt. Gerade hatten alle angefangen, Zukunftspläne zu schmieden. Die Unsicherheit, ob sie überhaupt bleiben dürfen, macht krank. Plötzlich sind sie zur Untätigkeit gezwungen, keine Ausbildung, keine Arbeit, noch nicht einmal einen Sprachkurs dürfen sie besuchen. Obwohl die Familie alles getan hat, um endlich anzukommen. Sie haben Freunde gefunden, die erfolgreich bei der Suche nach Ausbildungsplätzen und Praktika geholfen haben und sind in dem Ort sehr beliebt.


Nach über einem Jahr bangen Wartens entscheidet das Gericht: die Familie darf bleiben. Die Erleichterung und Freude ist groß. Endlich können sie wirklich anfangen sich eine Zukunft auszumalen und damit beginnen, diese Pläne auch zu verwirklichen. Es bleibt noch viel zu tun, ein Haus oder Wohnung muss gefunden werden, in der die ganze Familie Platz hat. Der Vater würde gerne wieder arbeiten gehen. Und noch immer schwingt eine gewisse Unsicherheit mit. Denn trotz des Urteils hat das BAMF immer noch keinen positiven Bescheid erlassen. Noch einmal muss Familie Azem warten, aber diesmal hoffentlich zum letzten Mal.

 

 

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