04.06.2020
Flüchtlingslager schließen, Geflüchtete dezentral unterbringen
Studie der Uni Bielefeld bestätigt Kritik des Flüchtlingsrats an Lagerunterbringung von Geflüchteten / Flüchtlingsrat: Bayerisches Innenministerium muss endlich Maßnahmen ergreifen
Eine neue Studie der Universität Bielefeld untersucht das Risiko von Geflüchteten, in Flüchtlingslagern an Covid-19 zu erkranken. Danach sind Sammelunterkünfte besonders gefährdet, zu Hotspots für Corona-Infektionen zu werden. Ist die Infektion einmal in der Unterkunft angekommen, sei das Infektionsrisiko für alle Bewohner*innen mit 17 % als hoch einzustufen. Betroffene Unterkünfte unter Kollektivquarantäne zu stellen sei die falsche Reaktion und verschlechtere die Situation noch. Erfahrungen in ähnlichen Situationen wie z.B. auf Kreuzfahrtschiffen zeigen, dass die Infektionszahlen bei einer frühen Evakuierung im Vergleich zur Kollektivquarantäne deutlich niedriger sind. Deshalb sei diese Kollektivquarantäne aus epidemiologischer Sicht „ausnahmslos zu vermeiden“. Die Forscher*innen um den Epidemiologen Professor Dr. med. Kayvan Bozorgmehr kommen zu dem Schluss: „Die Unterbringung von Geflüchteten sollte grundsätzlich coronaschutzkonform erfolgen, d.h. möglichst dezentral bzw. bei zentralen Einrichtungen möglichst in Einzelunterbringung in kleinen Wohneinheiten, damit bei Auftreten eines Falls eine rasche Ausbreitung vermieden wird und eine adäquate Kontaktnachverfolgung möglich ist.“
Der Bayerische Flüchtlingsrat sieht sich in seiner Kritik am Umgang der bayerischen Behörden mit der Corona-Pandemie bestätigt. Nach wie vor werden Geflüchtete in Mehrbettzimmern untergebracht und teilen sich mit vielen Mitbewohner*innen Küchen, Toiletten und Waschräume. Die Belegung der Unterkünfte wurde präventiv kaum entzerrt. Stattdessen wurde im Infektionsfall nahezu überall eine Kollektivquarantäne eingesetzt. Die Geflüchteten im ANKER-Zentrum Geldersheim bei Schweinfurt beispielsweise durften zwei Monate lang das Lager nicht verlassen. Insgesamt sind in bayerischen Flüchtlingslagern mindestens drei Sterbefälle aufgrund von Corona-Infektionen zu beklagen.
Und noch immer stehen Flüchtlingslager unter Quarantäne, zuletzt hat es verschiedene Gemeinschaftsunterkünfte und das ANKER-Zentrum in Regensburg getroffen.
„Wie lange soll dieses inadäquate Behördenhandeln in Bayern noch weitergehen, das das Infektionsrisiko noch anheizt, statt es zu senken? Wie viele Unterkünfte und die darin lebenden Geflüchteten muss es noch treffen?“ kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Unter dem Blickwinkel des Infektionsschutzes gibt es nur eine nachhaltige Handlungsoption: die Schließung der Sammelunterkünfte und eine dezentrale Unterbringung in kleinen Wohneinheiten. Bereits mehrfach haben wir darauf hingewiesen, dass zur Entzerrung der Belegung auch leerstehende Hotels oder Jugendherbergen genutzt werden könnten. Wir fordern das bayerische Innenministerium auf, endlich seine ideologisch motivierte Blockadehaltung aufzugeben und eine menschenwürdige Unterbringung zu organisieren!“