21.05.2008

Lagerpflicht endlich abschaffen!

Seit 2002 protestieren Flüchtlinge gegen ihre Unterbringung in Sammellagern: endlich kommt Bewegung in die Diskussion

Am 22. 04.2008 beging Mouldi C., ein Flüchtling im Hauzenberger Sammellager einen Suizidversuch. Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern stellte am 07.05.2008 ihren Entwurf für ein Flüchtlingsaufnahmegesetz vor. Damit sollen Traumatisierte, Alleinerziehende und weitere besonders belastete Flüchtlinge von der Lagerpflicht befreit werden. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am selben Tag über verwesende Rattenleichen unter den Containern des Lagers in der Münchener Waldmeisterstraße. Doch Bayerns Sozialministerin Christa Stewens dementiert: „Es ist mit Sicherheit auch kein Luxus, der da geboten wird. Eine gezielte Abschreckungspolitik würde ich’s nicht nennen, aber … es ist mit Sicherheit kein Anreiz da, in diesen Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen“ (Bayerisches Fernsehen, 07.05.2008). Die Abendzeitung schilderte am 19.05.2008 die unhaltbaren Zustände in Münchner Flüchtlingslagern und kritisierte die gesetzlich gewollte Isolation.

Gesetzliche Lagerpflicht in Bayern

Die strikte Lagerpflicht für Flüchtlinge ist eine bayerische Spezialität, nur wenige Bundesländer können bei der rigiden Ausgrenzung von Flüchtlingen mithalten. Das Bayerische Landesaufnahmegesetz vom 24.04.2002 (AufnG) verschärfte noch das bundesgesetzliche Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das es vielen Landkreisen in der Bundesrepublik ermöglicht, Flüchtlinge dezentral in Wohnungen unterzubringen. Doch Bayern ging das nicht weit genug, das Innenministerium entwarf das AufnG, das die weitgehende Lagerpflicht für Flüchtlinge in ganz Bayern festschreibt (Art. 4 Abs.1). Die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern soll zudem, so die Bayerische Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) vom 04.06.2002, „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“ (§7 Abs. 5). Die CSU Mehrheit im Landtag hatte keine Einwände, und in der Folge scheiterten Anwälte regelmäßig vor Gerichten, für Härtefälle wie zum Beispiel AIDS-Kranken oder alten Menschen Ausnahmen zu erwirken.

Zermürbung ist die Realität

Auf dieser rechtlichen Grundlage wird zermürbt: Jahrelange Unterbringung in Mehrbettzimmern in alten Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und verrotteten Containerunterkünften, Gemeinschaftsküchen und -bäder, Polizeikontrollen zu allen Tages- und Nachtzeiten, Essens- und Hygienepakete, gebrauchte Kleidung oder Gutscheine, Arbeitsverbote, Residenzpflicht und Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Passpflicht sind die Instrumentarien, die dem Unterbringungszweck‚ der Förderung der Rückkehrbereitschaft, dienen.

Deutschland Lagerland - Proteste gegen die Lagerpflicht

Gegen diese Zermürbung protestieren Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen bereits seit 2002 u.a. in München, Nürnberg, Landshut, Neuburg und Fürth. Im Sommer 2006 zog die International Refugee Human Rights Tour unter dem Motto „Deutschland Lagerland“ eine Woche lang durch Bayern und protestierte insbesondere gegen die Lagerpflicht. Besonders aktiv sind derzeit die BewohnerInnen der Nördlinger Flüchtlingsunterkunft, die seit März 2008 gegen ihre Lagerunterbringung protestieren, vor drei Wochen hat in München eine Kampagne von Flüchtlingen gegen Lagerunterbringung und Abschiebungen begonnen.

Kommt nun endlich Bewegung in die Debatte um Flüchtlingslager?

Bisher sind alle Versuche, die strikte bayerische Lagerpflicht zu kippen, an der harten Linie der Bayerischen Staatsregierung gescheitert. Doch die aktuellen Medienberichte könnten eine Wende anzeigen. Auf Antrag der grünen Landtagsfraktion besuchen jetzt sogar Mitglieder der Staatsregierung, des Landtags und von Wohlfahrtsverbänden am 23.06.2008 das Münchener Containerlager in der Waldmeisterstraße.

Die taz kommentierte am 14.05.2008 unter dem Titel „Der vergessene Skandal“, dass Lagerunterbringung, Residenzpflicht, Sachleistungen u.ä. der Abschreckung dienen, die angesichts minimaler Flüchtlingszahlen anachronistisch sei. Deshalb sei es „überfällig, die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verbessern.“

Dieser Einschätzung können wir uns nur anschließen. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert deshalb die sofortige Abschaffung der bayerischen Lagerpflicht. Alexander Thal, Sprecher des Flüchtlingsrats: „Das Bayerische Aufnahmegesetz muss umgehend geändert und die gesetzliche Lagerpflicht gestrichen werden. Alle Flüchtlinge, die eine Wohnung finden, müssen das Recht bekommen, aus den Lagern auszuziehen. Nur so kann die Ausgrenzung und Zermürbung von Flüchtlingen beendet werden“.

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