Süddeutsche Zeitung, 02.05.2008

Isolation, die das Leben zerstört

Weil er Kontakt zu Islamisten hatte, wurde Mouldi C. in den Bayerischen Wald verbannt

Auf unbestimmte Zeit muss Mouldi C, von seiner Frau und seinen Kindern getrennt, in einem Heim für Asylbewerber im Bayerischen Wald leben. Foto: Hubert Denk
Vergeblich baten Ärzte und Anwälte um Hilfe für den Tunesier - jetzt wollte er Selbstmord begehen

Dem Selbstmordversuch des tunesischen Islamisten Mouldi C. ist ein monatelanges Ringen um eine angemessene Psychotherapie vorausgegangen. C, der auf Weisung der Sicherheitsbehörden in einem Asylantenheim in Hauzenberg (Landkreis Passau) leben muss, hatte in der Nacht auf den 23. April versucht, sich aufzuhängen. Seitdem wird er im Bezirksklinikum Mainkofen behandelt. Seine Ärzte hatten mehrmals gewarnt, dass sich sein Zustand verschlechtere, doch gelang es wegen staatlicher Sicherheitsbedenken nicht, C. rasch eine Therapie anzubieten. Der Vorfall wirft ein neues Licht auf die aussichtslose Lage C.s, den die Staatsregierung als „Top-Gefährder“ einstuft, der aber nie wegen Terrors verurteilt wurde. Er lebt seit fast drei Jahren isoliert in Hauzenberg, fern seiner Frau und der vier Kinder, die in Regensburg zurückgeblieben sind.

Monatelange Untätigkeit

Am 10. Dezember 2007 hatte sich C.s Psychotherapeutin hilfesuchend an die Regierung von Mittelfranken gewandt, die für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zuständig ist. C. habe berichtet, „er halte seine Isolierung in Hauzenberg kaum noch aus“, schrieb die Therapeutin. Er habe das Gefühl, sein Leben sei zerstört. Die Ärztin diagnostizierte eine Depression und warnte, dass wegen der schwierigen psychosozialen Situation mit einer „weiteren Verschlechterung“ zu rechnen sei. Eine Behandlung sei indiziert. Die Busverbindung von Hauzenberg zu ihrer Praxis in Waldkirchen sei aber sehr schlecht, sie empfehle deshalb eine ambulante Therapie in Passau oder in einer Klinik. Die Regierung von Mittelfranken erklärte im Januar, sie bevorzuge aus Sicherheitsgründen eine geschlossene Einrichtung. Dann geschah monatelang nichts. Ende März 2008 stellte C.s Hausarzt fest, der Zustand des 37-Jährigen habe sich erneut verschlechtert. „Der Patient äußerte Suizidgedanken“, schrieb er an die Krankenkasse und beantragte eine stationäre Therapie, was die Kasse bewilligte. C.s Anwalt Hubert Heinhold bat die Regierung am 10. April, C. den Aufenthalt in einer Regensburger Klinik zu genehmigen.

Im vergangenen Jahr hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit der Forderung für Empörung gesorgt, Islamisten zu internieren oder Handy-Verbote zu verhängen. Das Ausländerrecht erlaubt ähnliche Maßnahmen allerdings längst. C. ist zwar nie wegen Terrors verurteilt worden, doch haben ihm die Behörden Kontakte zu militanten Islamisten in Deutschland, Italien und Großbritannien nachgewiesen. Nach Ansicht der bayerischen Justiz reicht das aus, um C. auszuweisen. Allerdings konnte ihn die Regierung wegen der Foltergefahr in Tunesien nicht ins Flugzeug setzen. Deshalb ordnete sie im Mai 2005 an, dass C. in Hauzenberg leben müsse, einem Luftkurort mit 12 000 Einwohnern im Bayerischen Wald. Dort darf C. weder Handy noch Internet benutzen, und er muss jeden Tag auf der Polizeiwache erscheinen. Ein Ende ist nicht absehbar, obwohl der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen C. jüngst ohne Ergebnis eingestellt hat. Der Anwalt hatte im März darum gebeten, die Auflagen zu lockern. Sie seien unverhältnismäßig und gefährdeten C.s psychische Gesundheit. Es solle seinem Mandanten wenigstens erlaubt werden, in Regensburg bei seiner Familie zu leben.

Der Antrag blieb erfolglos, ebenso der Versuch, möglichst schnell psychologische Hilfe zu bekommen. Obwohl die Regierung spätestens am 10. April wusste, dass C. suizidgefährdet war, teilte sie am 16. April mit, die Suche nach einem Therapieplatz gestalte sich schwierig, es werde aber „spätestens Anfang Mai“ soweit sein. Eine Woche später versuchte C, sich im Asylantenheim zu erhängen. Die Süddeutsche Zeitung fragte bei der Regierung nach, ob C. von Januar an dabei geholfen worden sei, rasch einen geeigneten Therapieplatz zu. finden, oder ob es im April angesichts der Suizidgefahr nicht geboten gewesen wäre, zumindest eine ambulante Therapie zu erlauben. Die Regierung antwortete lediglich: „Die medizinische Versorgung war zu jeder Zeit gewährleistet“. Das widerspricht klar der Einschätzung der Psychotherapeutin, die schon im Dezember der Meinung war, die Busfahrten von Hauzenberg in ihre Praxis seien unzumutbar.

Für die weitere Behandlung hat die Regierung inzwischen eine Liste von Bezirkskrankenhäusern vorgelegt, zu der allerdings weder die Klinik in Regensburg noch die in Mainkofen gehören. Rechtsanwalt Heinhold beklagte sich daraufhin, dass diese Auswahl entfernter Kliniken den familiären Kontakt vollständig unterbrechen werde. Dies sei wohl ein Versuch, „mittels Psychodruck den Mandanten weiter zu destabilisieren“.

Nicolas Richter

Zurück