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Aktuelles
Fachtage des Bleib in Bayern Projekts
Die Fachtage „Potentiale, Perspektiven und Hürden“ des Bleib in Bayern-Projekts des Bayerischen Flüchtlingsrats finden ab Juli 2018 in allen bayerischen Regierungsbezirken statt. Mit den sieben Veranstaltungen sowie einer Schlusskonferenz in München wollen wir den Blick auf Veränderungen seit 2015 richten, Verbesserungen und Perspektiven herausarbeiten – aber auch Schwierigkeiten und Probleme benennen und Lösungsvorschläge und Forderungen bestimmen.
Fragen und Rückmeldungen an: bleib(at)fluechtlingsrat-bayern.de
Hier finden Sie alle Informationen zu den Fachtagen des Bleib in Bayern Projekts im Sommer und Herbst 2018.
Kommentar zum IMS vom 01.08.2017
Im August 2017 kam die bislang letzte bekannte Weisung aus dem Innenministerium. Der Gegenstand des Schreibens an alle Ausländerbehörden ist die Mitwirkungspflicht bei Flüchtlingen im Asylverfahren und mit Duldung.
Der Verfasser, Regierungsdirektor im Innenministerium, stellt sich auf den Standpunkt, dass auch Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren zugemutet werden kann, eine Vertretung (Botschaft oder Konsulat) ihres Herkunftslandes aufzusuchen, wenn sie nicht direkt eine staatliche Verfolgung geltend machen. Dies ist etwa der Fall bei vielen afghanischen Flüchtlingen, die nicht vom Staat, sondern von den Taliban Verfolgung befürchten.
Dies ist eine Spezialmeinung des bayerischen Innenministeriums, die von der Rechtsprechung nicht gedeckt ist. Im Kommentar von Rainer Hofmann (Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 15 AsylG Rn. 20)) steht zu diesem Thema beispielsweise folgendes:
„Während des laufenden Asylverfahrens ist es einem Asylbewerber regelmäßig nicht zumutbar, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken (BayVGH, Urt. V. 10.12.2001 – 24 B 01.2059). Etwas anderes kann auch nicht dann gelten, wenn der Asylbewerber keine Furcht vor unmittelbar staatlicher Verfolgung durch seinen Heimatstaat geltend macht und eine solche nach Lage der Dinge auch offensichtlich nicht zu besorgen ist. Hier soll das BAMF im Einzelfall die Möglichkeit haben, dem Asylbewerber zur besseren Aufklärung des für die Feststellung der Asylberechtigung oder des Vorliegens von Abschiebungshindernissen relevanten Sachverhalts die Beschaffung von Identitätspapieren aufzuerlegen. Dies ist jedoch abzulehnen, da die hierzu erforderliche Feststellung durch das BAMF erst mit Entscheidung über den Asylantrag ergeht (Gemeinschaftskommentar zum AsyVfG, § 15 Rn. 41) Die vom BAMF bzw. von der ABH geübte Praxis, sich im Hinblick auf die in Abs. 2 Nr. 6 normierten Mitwirkungspflichten generell bereits vor der Anhörung von den Asylsuchenden Passbeschaffungsformulare ausfüllen zu lassen, kann die Objektivität des Anhörungsvorganges beeinträchtigen und damit einen Verfahrensmangel darstellen (VG Aachen, Urt. V. 30.09.2003 – 6 K 869/01.A). Der Asylbewerber, dem noch vor der Anhörung beim BAMF durch die ABH aufgegeben wird, ein Formular der Auslandsvertretung des Verfolgerstaates auf Ausstellung eines Heimreisedokuments auszufüllen, erhält den Eindruck, dass die Behörden des Zufluchtsstaates mit den Behörden des Verfolgerstaates zusammenarbeiten, mit der Folge, dass dies seine Aussagebereitschaft mindert. In Bezug auf die ABH gebietet Art. 16 a GG grundsätzlich eine einschränkende Auslegung des Abs. 2 Nr. 6 dahin gehend, dass diese einen Ausl. erst dann verpflichten kann, bei einer Auslandsvertretung seines Heimatlandes vorzusprechen, wenn das Asylverfahren ein Stadium erreicht hat, welches eine Aufenthaltsbeendigung selbst erlaubt. Die ABH kann von dem Ausl. nicht verlangen, sich um ein Identitätspapier an seine Auslandsvertretung zu wenden, solange seine Aufenthaltsgestattung nicht erloschen ist (VGH Baden-Württemberg, Urt. V. 06.10.1998 – A 9 S 856/98; VG Chemnitz, InfAuslR 2000,146).“
Identitätsklärung sei, so das Schreiben des Innenministeriums, ein Anliegen von zentraler Bedeutung, und Arbeits- und Ausbildungsverbote seien ein probates Mittel, um Mitwirkung herbeizuführen. Andererseits stellt der Verfasser des Schreibens aber auch fest, dass die Ausländerbehörde nicht einfach verlangen darf, dass der Pass vorgelegt wird, bevor sie eine Beschäftigungserlaubnis erteilt. Die ungeklärte Identität sei nur eines von mehreren Kriterien, die bei der Entscheidung über Beschäftigungserlaubnisse eine Rolle spielen, andere seien z.B. Aufenthaltsdauer oder Deutschkenntnisse.
„Ein Automatismus dahin gehend, dass die Beschäftigungserlaubnis bei ungeklärter Identität stets abzulehnen wäre, besteht daher weder gesetzlich, noch nach der geltenden bayerischen Weisungslage.“
Genau diesen Automatismus wenden allerdings zahlreiche Landratsämter an. Die Anforderungen an eine Identitätsklärung werden immer höher geschraubt, und ohne geklärte Identität ist es in manchen Landkreisen nicht möglich, eine Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnis zu bekommen.
Arbeitsverbote: Brechmittel des Innenministeriums
Bundesweit, aber vor allem in Bayern wird als Reaktion auf den Flüchtlingszuzug vor allem die Aufenthaltsbeendigung in Stellung gebracht. Abschieben, abschieben, abschieben lautet die Devise. Es lohnt sich daran zu erinnern, dass die Anerkennungsquote für Flüchtlinge im letzten Jahr bei über siebzig Prozent lag: etwa drei von vier Flüchtlingen werden anerkannt. Wer die CSU Vertreter*innen so hört, vergisst dies manchmal, so sehr wird hier Front gemacht gegen Flüchtlinge.
Eines der probaten Mittel, Integration auszuhebeln ist das Arbeits- und Ausbildungsverbot. Wer nicht das Glück hat, zu den deklarierten Top 5-Ländern (Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Somalia) zu gehören, soll in Bayern erst mal nicht integriert werden. Entsprechend ist vor allem die Ausbildung für all die Flüchtlinge außerhalb der Top 5-Kategorie tabu, weil ja über eine erlaubte Ausbildung ein Aufenthalt unabhängig von der Entscheidung über Asyl zu erreichen wäre. Die über das Integrationsgesetz des Bundes verabschiedete Einführung einer gesetzlichen 3+2 Regelung für Auszubildende (Anspruch auf Duldung während der Ausbildung, im Anschluss Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre bei Beschäftigung im Ausbildungsfach) ist als Erleichterung für Betriebe gedacht, hat aber in Bayern zu einer heftigen Gegenreaktion geführt. Ausbildungserlaubnisse werden deshalb für diejenigen, die noch nicht anerkannt sind (und nicht Top 5), sehr restriktiv vergeben, für abgelehnte Asylsuchende mit Duldung gar nicht.
Hierzu gibt es aber auch ein Tauziehen zwischen dem bayerischen Innenministerium und den Wirtschaftsverbänden, das sich insbesondere an Flüchtlingen aus Afghanistan (aber nicht nur) erkennen lässt. Viele Betriebe schätzen afghanische Mitarbeiter und Auszubildende, und sind erbost über die harte Haltung der Ausländerbehörden, die vom Innenministerium dazu angehalten werden.
Nachdem durch ein Innenministerielles Schreiben (IMS) vom 1. September 2016 den Ausländerbehörden eine extrem restriktive Auslegung der Beschäftigungserlaubnis diktiert worden ist, gingen die Wirtschaftsverbände auf die Barrikaden. Die Industrie- und Handelskammern drohten offen damit, den 2015 mit der Staatsregierung geschlossenen Integrationspakt, der 60.000 Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen soll, zu kündigen. Das Innenministerium lenkte ein und bat zu einem Runden Tisch. Die Ergebnisse sollten, so das Versprechen von Innenminister Herrmann, der Wirtschaft entgegenkommen. Das Rundschreiben Herrmanns, das Wochen später verschickt wurde, brachte aber eine große Ernüchterung: zwar sollten bestehende Ausbildungsverhältnisse respektiert werden. Aber neue Arbeits- und Ausbildungserlaubnisse sollten vor allem für die Top 5- Staatsangehörigen vergeben werden. Betriebe sollten sich im Zweifel bei der Ausländerbehörde erkundigen, ob ein Arbeits- oder Ausbildungsvertrag eine Chance habe.
Das fanden viele Betriebe gar nicht lustig. Sie wollen Personen nach Eignung einstellen, nicht nach einer Prognose der Ausländerbehörde. Zwar gaben sich einige Kammern mit dieser Regelung zufrieden, insgesamt ist die Sache aber nicht vom Tisch. Am 19.12. kam dann ein weiteres Schreiben des Innenministeriums an die Behörden: demnach sollte die Bleibeperspektive vorrangig Beachtung finden bei der Vergabe und Verlängerung von Beschäftigungserlaubnissen. Beigefügt war eine Liste, nach der die Ausländerbehörde die jeweilige prozentuale Bleibeperspektive selbst errechnen sollte. Wer rechnen konnte, kam bei Afghanen auf mehr als 50 Prozent, also eine gute Bleibeperspektive. Es zeigte sich aber, dass einige Ausländerbehörden damit sichtlich überfordert waren. Das Landratsamt Freising etwa entzog mit Verweis auf dieses Schreiben allen Afghanen die Arbeitserlaubnis. Andere Landkreise sahen im Schreiben eher eine Ermunterung, Arbeitserlaubnisse liberaler zu vergeben. Das Innenministerium hat damit eindeutig nicht zur Klärung der Sachlage und zu einer einheitlichen Praxis beigetragen, im Gegenteil.
Am 27.1. nun kam Schreiben Nummer drei in dieser Angelegenheit. Hier wurde nun Schreiben Nummer 2 wieder relativiert. Die Behörde dürfe nicht allein auf die Bleibeperspektive abstellen, sondern alle (in Schreiben Nummer 1 aufgeführten) Kriterien zur Entscheidung über Beschäftigungserlaubnisse heranziehen. Aufenthaltsdauer, Deutschkenntnisse, Integrationsleistungen, Mitwirkung bei der Identitätsklärung, all das soll neben der Bleibeperspektive beachtet werden.
Ob das nun dazu führt, dass die Ausländerbehörden hier einheitlicher entscheiden? Wahrscheinlich ist das nicht. Besonders bezüglich afghanischer Flüchtlinge wird die Erteilungspraxis weiterhin daran kranken, dass die Anerkennungsquote gut ist, aber das Innenministerium nicht den Mut hat, das zu schreiben. Entsprechend können die Ausländerbehörden al gusto entscheiden. Insbesondere die Zentralen Ausländerbehörden verlangen nun von Afghanen noch während des Verfahrens, dass sie eine Taskira bringen. Ohne Vorlage gibt es keine Arbeitserlaubnis.
Damit nutzt das Innenministerium die Arbeitserlaubnis als Brechstange zu einer ansonsten kaum erzwingbaren Mitwirkung. Nicht nur die Ausbildungserlaubnis (die praktisch kaum mehr erteilt wird vor Abschluss des Verfahrens), sondern schon eine Arbeitserlaubnis wird von manchmal nicht erfüllbaren Forderungen abhängig gemacht. Die Effekte sind nicht nur für den Flüchtling negativ, der inzwischen in eine teils lange Untätigkeit gezwungen wird. Auch Arbeitgeber, die sich auf einen potentiellen Mitarbeiter einlassen, fühlen sich düpiert von dieser Verweigerungshaltung. Zahlreiche Arbeitgeber wenden sich nun ab und wollen keine Flüchtlinge mehr beschäftigen. Wenn dies so weitergeht, dann müssen die Kammern den Integrationspakt gar nicht mehr kündigen, dann machen das die Betriebe selber.
Hüh und Hott des Innenministeriums
02.02.2017: In seinem Bemühen, Exzesse der Ausländerbehörden einzuhegen, verzettelt sich das Innenministerium zunehmend.
Am 27.1.2017 gab es wiederum ein neues Schreiben des Innenministeriums an die Ausländerbehörden. Thema diesmal: Zurückrudern. Nachdem am 19.12. die Anweisung aus dem Innenministerium kam, verstärkt die Bleibeperspektive in der Entscheidung über eine Beschäftigungserlaubnis für Arbeit oder Ausbildung zu berücksichtigen, gibt es jetzt die Anweisung, aber doch nicht kategorisch zu verfahren. Das heißt, die Bleibeperspektive ist nach wie vor nur eines der Kriterien, die bei einer Erlaubniserteilung zu berücksichtigen sind. Damit schafft das Innenministerium noch mehr Verwirrung. Ganz offenkundig werden die Schreiben des Innenministeriums in den Ausländerbehörden unterschiedlich gelesen. Während das Landratsamt Freising zu dem Schluss kommt, jetzt dürften keine Erlaubnisse mehr erteilt werden und flächendeckend bestehende Arbeitserlaubnisse widerrufen hat, versuchen andere Landkreise, die Spielräume zugunsten einer Erteilung von Arbeit oder Ausbildung zugunsten der Beschäftigung auszuloten.
Auch das neue IMS wird nicht helfen, diesem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Nun ist das Spiel wieder offen, das Rouletterad der Ausländerbehörden ist wieder neu angestoßen. Während die einen Ausländerbehörden das neue Schreiben als Bekräftigung ihres Ermessens zugunsten einer beschäftigungsfeindlichen Entscheidungspraxis lesen können, sind andere auf dem Weg in die Gegenrichtung. Klarheit ist jetzt endgültig beseitigt. Es wird weiter darauf ankommen, ob Unternehmen und Ehrenamtliche in landkreisen die Stimmung zugunsten von frühzeitiger Beschäftigung und Ausbildung beeinflussen können. Derweil setzten die Bundesagenturen für Arbeit zunehmend den Beschluss der Generaldirektion um, Maßnahmen und Unterstützung für Flüchtlinge im Asyslverfahren nur noch für die TOP 5 -Staatsangehörigen zu vergeben.
Noch mehr Flüchtlinge aus Arbeit und Ausbildung verdrängen
28.12.2016: Das Bayerische Innenminsterium wird nicht müde, den Zugang zu Arbeit und Ausbildung weiter einzuschränken. Am 19.12.2016 wurde ein neues Innenministerielles Schreiben (IMS) an die Ausländerbehörden verschickt, mit der Aufforderung, besonders die Bleibeperspektive zu berücksichtigen. Wer die nicht habe, soll auch während des Asylverfahrens möglichst keine Beschäftigungserlaubnis für Arbeit oder Ausbildung bekommen. Manche Landratsämter gehen jetzt in die Offensive und entziehen Flüchtlingen, die nicht aus den TOP 5 Staaten (Syrien, Irak, Iran, Somalia und Eritrea) stammen, die Arbeitserlaubnisse. Neue Erlaubnisse werden keine mehr erteilt.
Dies trifft in vielen Fällen auch Afghanen, obwohl hier die Anerkennungsquote deutlich über 50 Prozent gelegen hat in den letzten Monaten. Gerade bei afghanischen Flüchtlingen sollte sich deshalb die Klage gegen einen solchen Bescheid lohnen. Auch ist eine Intervention bei den Behörden möglich. Das IMS stellt auf die Bleibeperspektive ab, und die ist ja gut (+50 Prozent Anerkennungsquote). Entsprechend kann hier auch Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis erteilt werden. Manche Landratsämter praktizieren dies schon, andere sollten darauf hingewiesen werden, dass nicht das Innenministerium einer solchen Regelung entgegensteht, sondern höchstens sie selbst - mit erheblichen Folgekosten und -lasten für den Landkreis.
Hier geht es zum IMS vom 19.12.2016
Hier finden Sie die Anerkennungszahlen für Bund und für Bayern.
Die Wirtschaft an die Leine genommen
Die bayerischen Handwerks- und Industrie und Handelskammern bekommen zahlreiche Beschwerden von Betrieben, die gern ausbilden oder einstellen würden, aber deren Wunschkandidaten von der Ausländerbehörde keine Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnis bekommen.
Am 15. November 2015 fand daraufhin ein Runder Tisch beim Innenministerium statt. Am 6. Dezember schließlich fasste das Innenministerium die Ergebnisse des Runden Tisches zusammen und schickte sie in einem Brief an die beteiligten Institutionen.
Das Ergebnis: das Innenministerium will seine Sichtweise durchsetzen. Die Wirtschaftsbetriebe sollen sich gefälligst auf die anerkannten Flüchtlinge und auf diejenigen mit der "Guten Bleibeperspektive" konzentrieren. Die anderen gehören erst mal der Ausländerbehörde, hier gilt: Abschiebung vor Ausbildung.
Wer einen Flüchtling anstellen oder ausbilden will, der nicht zu den Top 5-Ländern mit der guten Bleibeperspektive gehört, der solle erst mal die Ausländerbehörde fragen. Einstellung oder Ausbildung also nicht nach Eignung, sondern nach Aufenthaltsrecht.
In dem länglichen Brief versteckt das Innenministerium, dass damit viele Asylsuchende im Verfahren und praktisch alle abgelehnten Flüchtlinge von Arbeits- und Ausbildungsverboten betroffen sind. Die Konsequenz ist: Flüchtlinge müssen in vielen Fällen erst einmal über Jahre warten, bis entschieden ist, ob sie weiter vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, weil sie dann abgeschoben werden sollen, oder ob sie eine Arbeit oder Ausbildung beginnen dürfen.
Dies wirkt sich nachhaltig negativ auch auf alle Integrationsbemühungen aus. Die Motivation von Flüchtlingen Deutsch zu lernen oder Praktika zu machen, sinkt, wenn keine Arbeitsperspektive in Aussicht ist. Wer lange in Angst um Abschiebung gehalten wird, hat keine Chance, Traumata und Fluchterfahrungen hinter sich zu lassen. Wer will gute Leistungen in den Berufsintegrationsklassen erwarten, wenn anschließend ein Beruf nicht erlernt werden darf?
Integration in Bayern: für viele scheitert sie erst mal am integrationsfeindlichen Innenministerium
Desintegration auf Anordnung der Regierung: Arbeits- und Ausbildungsverbote in Bayern
Ohne Bleibeperspektive droht Flüchtlingen in Bayern eine weiß-blaue Warteschleife. Während das neue Integrationsgesetz des Bundes mit einer Aufenthaltsperspektive für geduldete Flüchtlinge winkt, die einen Ausbildungsplatz finden, tut das bayerische Innenministerium alles, um nicht nur diese Ausbildungsduldung, sondern auch generell den Zugang zu Arbeit und Ausbildung zu verhindern - bei allen, die noch nicht anerkannt sind oder eine besonders gute "Bleibeperspektive" haben.
Betriebe verabschieden sich aus der Integration von Flüchtlingen
Diese bayerische Maßnahme verursacht einen immensen Flurschaden bei Arbeitgeber*innen und Ausbildungsbetrieben. Die Ablehnung von Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnissen und der bürokratische Aufwand frustriert die Betriebe, und bringt sie dazu, sich aus der Integration von Flüchtlingen zu verabschieden. Während in anderen Bundesländern zügig integriert wird, protestieren die bayerischen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern gegen diesen Umgang mit Flüchtlingen und Betrieben durch die bayerische Staatsregierung. Auch zahlreiche Arbeitgeber protestieren gegen Arbeits- und Ausbildungsverbote. Es bleibt abzuwarten, ob und wie weit dieser Protest Erfolg hat.
Juristisch fragwürdig, menschlich und migrationspolitisch beschränkt
Bislang ist es so, dass zahlreiche Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung (während des Asylverfahrens) oder Duldung (als abgelehnte Asylsuchende) keine Beschäftigungserlaubnis erteilt bekommen. Die Ausländerbehörden berufen sich dabei auf den Erlass des Innenministeriums, der eine restriktive Vergabe von Erlaubnissen anordnet. Der Erlass und ein Schaubild zum einfacheren Verständnis stellt grundsätzlich Abschiebung vor Ausbildung.
Die Argumentation des Innenministeriums bleibt allerdings nicht unwidersprochen: Eine Stellungnahme des Rechtsanwalts Hubert Heinhold stellt fest, dass es ganz andere Spielräume gäbe, die geltenden Gesetze auszulegen.
Sonderfall Senegal
In besonderer Weise sind Flüchtlinge aus sogenannten "sicheren" Herkunftsstaaten von Ausgrenzung betroffen. Dies ist vor allem das Schicksal von rund 3.000 Flüchtlingen aus dem Senegal. Sie wurden meist schon Anfang vergangenen Jahres mit Arbeitsverboten und Ausbildungsverboten belegt. Das bayerische Innenministerium hatte am 31.März 2015 verfügt, dass auch bestehende Arbeitserlaubnisse nicht verlängert werden dürfen. Seit nun mehr als einem Jahr mussten viele Senegalesen ihre Arbeitsplätze aufgeben, sitzen im Lager, wurden auch oft in besonders abgelegene Unterkünfte verlegt. Manche sind weitergewandert, manche sind untergetaucht, aber viele sitzen in Unterkünften, wissen nicht wohin, und verzweifeln angesichts der Aussichtslosigkeit.
Proteste
Zahlreiche Flüchtlinge und Ehrenamtliche protestierten schon im vergangenen Jahr gegen diese Ausgrenzungspraktiken, die dem EU-Recht widersprechen, aber auch menschenrechtswidrig und verfassungswidrig sind, wenn Arbeitsverbote Menschen am Leben und an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern. Die harte Haltung der bayerischen Regierung ließ viele Ehrenamtliche, Flüchtlinge und Arbeitgeber*innen frustriert zurück.
Ist das die Integration, die wir wollen? Ist es eine vernünftige Migrationspolitik, die Flüchtlinge in die Illegalität treibt, die Ehrenamtlichen ihr Engagement vergällt und die Ausbildungsbetriebe so frustriert, dass sie sagen: macht eure Integration doch alleine?
Eine kleine Reihe von Aktionen soll auf die Situation von senegalesischen Flüchtlingen hinweisen, aber auch auf die Ausweitung dieser Maßnahmen auf viele andere Flüchtlinge aus Afghanistan und anderswo. Wenn der CSU Generalsekretär sagt, einen fussballspielenden, ministrierenden Senegalesen könne man nicht mehr abschieben, dann ist das die Aufgabe der Zivilgesellschaft, ihm zu zeigen, dass er Recht hat.
Die Lions de Téranga haben gezeigt, wie das geht
Bleibeperspektive Kritik einer begrifflichen Seifenblase.
eine kritische Stellungnahme zu der Differenzierung von Flüchtlingen anhand des Begriffs der "Bleibeperspektive", die zu massiven Unterschieden in den Integrationsmöglichkeiten führt. Autor Claudius Voigt, GGUA, Juni 2016
und hier zu einer Powerpoint zu den Konsequenzen: Integration durch Ausschluss
Der lange Weg zur Arbeit
die Studie im Auftrag des Bayerischen Flüchtlingsrats (Autoren Marc Speer, Tobias Klaus) beleuchtet die räumlichen Aspekte der Flüchtlingsunterbringung im Hinblick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt.
Sie beinhaltet wesentliche Momente, die gegen eine zwangsweise Wohnsitzauflage für Flüchtlinge sprechen. So erhöht die Wohnsitzauflage den behördlichen und bürokratischen Aufwand, führt in vielen Fällen dazu, dass Flüchtlinge keine Angebote erreichen können und effektiv vom Spracherwerb, von der Ausbildung oder Arbeitssuche ausgeschlossen sind.
Die Studie enstand im Rahmen des durch den Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Bleiberechtsprojekts.
Fachtag: Arbeit und Ausbildung für Flüchtlinge
FACHTAG des Bleib-Projekts des Bayerischen Flüchtlingsrats in Kooperation mit FIBA 2
22.06.2017 | Bellevue di Monaco, Müllerstraße 2, München | 13:30 – 17 Uhr
Der Fachtag war mit 65 Teilnehmer*innen gut besucht. Das große Interesse am Thema zeigt die Bedeutung, die den ausländerrechtlichen Grundlagen und den Praktiken des bayerischen Innenministeriums und der lokalen Ausländerbehörden zukommt. Bei Flüchtlingen im Asylverfahren und mit Duldungsstatus ist es weniger der Bedarf an Arbeitskräften und Auszubildenden, sondern die Genehmigungspraxis der Behörden, die über den Zugang zu Arbeit und Ausbildung entscheidet.
Die Vorträge
Zugang zu Arbeit und Ausbildung, die bayerische Linie.
Dr. Viola Hörbst, Koordinatorin FiBA 2 Netzwerk, Stadt München
bei Interesse am PDF des Vortrags wenden Sie sich bitte an viola.hoerbst@muenchen.de
Umgang mit Arbeit und Ausbildung in der Stadt München
Christian Krapp, Stadt München FiBA 2
bei Interesse am PDF wenden Sie sich bitte an viola.hoerbst@muenchen.de
Hürde Identitätsklärung. Was darf die Behörde verlangen?
Hubert Heinhold, Rechtsanwalt, München
Hier geht es zum PDF des Vortrags >>>
Ausbildungs- und Arbeitserlaubnis, Erfahrungen aus der Praxis in München
Rebecca Kilian-Mason, Münchner Flüchtlingsrat
Hier geht es zum PDF der Präsentation >>>
Das Projekt BLEIB IN BAYERN ist ein Teilprojekt der Netzwerke BAVF II (Bayerisches Netzwerk für Beratung und Arbeitsmarktvermittlung für Flüchtlinge) und FiBA 2 (Flüchtlinge in Beruf und Ausbildung).
Das Projekt BLEIB IN BAYERN wird gefördert im Rahmen des ESF-Integrationsrichtlinie Bund - Handlungsschwerpunkt „Integration von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen“ (IvAF) mit einem mindestens nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds.
Das Projekt BLEIB IN BAYERN ist ein Teilprojekt der Netzwerke BAVF II (Bayerisches Netzwerk für Beratung und Arbeitsmarktvermittlung für Flüchtlinge) und FiBA 2 (Flüchtlinge in Beruf und Ausbildung).
Das Projekt BLEIB IN BAYERN wird gefördert im Rahmen des ESF-Integrationsrichtlinie Bund - Handlungsschwerpunkt „Integration von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen“ (IvAF) mit einem mindestens nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds.