Süddeutsche Zeitung, 29.11.2008

"Ein menschenunwürdiger Zustand"

Flüchtlinge leiden unter Rattenplage und verschmutzten Sanitäranlagen / Wegen Hygienemängeln fordern die Grünen die Schließung von zwei Containerunterkünften für Asylbewerber

Dokumentiert auf einem Video: Ratten in einer Küche für Flüchtlinge. Foto: oh
Katastrophal, untragbar, menschenunwürdig - so beschreiben die Grünen im Landtag die Zustände in zwei Münchner Unterkünften für Asylbewerber. Die Containerbauten an der Rosenheimer und Waldmeisterstraße stehen schon lange in der Kritik, nun wurde ein Video öffentlich, das Ratten zeigt, die in der Unterkunft umherspazieren. Kürzlich forderte der Münchner Stadtrat, auch mit Stimmen der CSU, die zuständige Regierung von Oberbayern auf, die Anlagen zu schließen. Dies verlangen auch die Grünen und wollen darüber am Mittwoch im Landtag abstimmen lassen.

Als Beleg für die Bedingungen, unter denen in der Rosenheimer Straße rund 200 Flüchtlinge, darunter viele Kinder, leben müssen, zeigte Fraktionssprecherin Margarete Bause am Freitag ein kurzes Video: Zu sehen sind vier Ratten, die in einer Gemeinschaftsküche umherlaufen, sie scheinen sich wohlzufühlen. Seit Monaten werden die Container von einer Rattenplage heimgesucht, der Einsatz einer Spezialfirma fruchtete bisher nicht.

Bause zitierte aus einem internen Papier der Caritas, deren Mitarbeiter dort die Flüchtlinge betreuen. Aus "Fürsorgepflicht" für die eigenen Angestellten hatte die Caritas einen Hygienefachmann in die Unterkunft geschickt, und der fasst sein Urteil so zusammen: "Die hygienischen sowie baulichen Gegebenheiten befinden sich in einem katastrophalen und menschenunwürdigen Zustand." Darunter hätten die Caritas-Betreuer wie die Flüchtlinge zu leiden. Im Gutachten, das auf einer Begehung am 18. November basiert, ist etwa von einem Blumentrog im Freibereich die Rede, unter dem sich vermutlich Ratten eingenistet hätten, und von einem Abwassersystem, "das bevorzugt von Ratten bewohnt wird". Auch Duschen und Toiletten nennt der Fachmann "nicht tragbar". Vor allem Kleinkinder seien "massiv gefährdet" durch mögliche Keime, Bakterien und Viren.

Die Caritas betont, dass das Papier "nicht für die Öffentlichkeit bestimmt" sei, der Bericht des Experten sei noch nicht bewertet. "Konsequenzen werden in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberbayern erarbeitet." In dieser dem Innenministerium untergeordneten Behörde ist man bemüht, die Situation in der Rosenheimer Straße zu relativieren. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand wollte sich nicht äußern, dies übernahm seine Bereichsleiterin Stefanie Weber: Nein, die Zustände seien "nicht menschenunwürdig, sonst würden wir dort keine Menschen unterbringen". Dennoch prüfe man alternative Angebote der Stadt München, um die Flüchtlinge eventuell andernorts einzuquartieren.

Für die Hygiene macht Weber auch die Bewohner selbst verantwortlich: Ihnen obliege es, für Sauberkeit zu sorgen, dafür gebe es Ein-Euro-Jobs. Mitunter habe sogar der Verwaltungsleiter dort geputzt, obwohl das nicht seine Aufgabe sei. Außerdem habe ihr Haus "immer wieder investiert" in die Container, "wir versuchen, die Bedingungen zu optimieren". Die Unterkunft, die in Ramersdorf direkt am Beginn der Salzburger Autobahn auf einer Verkehrsinsel liegt, sei "sehr beliebt" bei den Flüchtlingen, so Weber. Dies erkläre sie sich mit der "verkehrsgünstigen Lage".

Dagegen sagt die grüne Fraktionschefin Bause: "Die Situation grenzt an eine Verletzung der Menschenrechte." Zu einem ähnlichen Ergebnis war 2007 auch der Menschenrechtskommissar des Europarats nach einem Besuch gekommen. Kurz bevor grüne Politiker die Unterkunft besuchten, so Bause, habe die Verwaltung noch Rattenlöcher geschlossen. In einer anderen Containeranlage seien vor einem offiziellen Besuch Putz- und Malerkolonnen angerückt.

Renate Ackermann, asylpolitische Sprecherin der Grünen, kritisierte zudem die hohen Mieten für Flüchtlinge mit eigenem Einkommen: So habe ein Haushaltsvorstand für einen 12,5-Quadratmeter-Container 185 Euro zu zahlen, jedes weitere Familienmitglied nochmals je 65 Euro, was bei einer üblichen Belegung mit vier Personen 380 Euro bedeute. Stefanie Weber bestätigt dies, es handle sich um die Kaltmiete. Laut Ackermann sei kürzlich ein alleinstehender Asylbewerber neu in die Rosenheimer Straße gezogen. Dort habe er nun für sein Bett 312 Euro monatlich zu zahlen. Den Container müsse er sich mit drei weiteren Flüchtlingen teilen.

Von Bernd Kastner

Siehe Kommentar: Zynische Regierung

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