15.04.2010

Haderthauer präsentiert faulen Zahlenzauber

Flüchtlingslager: Sozialministerium versucht, mit frisierten Zahlen die Entscheidung im Koalitionsausschuss zu beeinflussen / 33,3 % der Kosten für die Lagerunterbringung von Flüchtlingen unterschlagen


Kurz bevor Ministerpräsident Horst Seehofer und die bayerische FDP-Landesvorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Koalitionsausschuss am kommenden Samstag die Differenzen zwischen CSU und FDP über die Abschaffung der Lagerpflicht für Flüchtlinge beilegen sollen, versucht Sozialministerin Christine Haderthauer, mit frisierten Zahlen zur Lagerunterbringung von Flüchtlingen die Debatte im Sinne der CSU zu beeinflussen: 7,7 Mio. Euro jährliche Mehrkosten würden auf den Freistaat zukommen, wenn Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht würden. Der Bayerische Flüchtlingsrat hält Haderthauer vor, mit offensichtlich manipulierten Zahlen Koalitionsausschussmitglieder und Öffentlichkeit zu täuschen.

Jahrelang weigerte sich das Sozialministerium, konkrete Zahlen zur Lagerunterbringung vorzulegen. Erst mit dem Kostengutachten des Bayerischen Flüchtlingsrats vom November 2009, das aufgrund von Schätzungen zu dem Ergebnis kam, dass die Unterbringung in Wohnungen 13,6 Mio. Euro billiger ist als die Lagerunterbringung, kam Bewegung in die Angelegenheit. Das Sozialministerium wurde vom Plenum des Bayerischen Landtags dazu verpflichtet, „eine belastbare Vergleichsberechnung der Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften einerseits sowie in privaten Wohnungen andererseits“ (Bayerischer Landtag, Ds. 16/3529) vorzulegen.

Am 31.03.2010 kam das Sozialministerium dem nach und legte eine Kostenberechnung vor. Für 12 Flüchtlingslager an neun Standorten wurden die monatlichen Kosten der Lagerunterbringung (345.602,42 Euro), mit den Mietkosten für Privatwohnungen verglichen (470.602,42 Euro). Dadurch entstünden an den 9 Standorten jährliche Mehrkosten für Privatwohnungen in Höhe von 1.500.270,60 Euro, auf ganz Bayern hochgerechnet 7,7 Mio. Euro (s. Seite 4). Diese Zahlen sind manipuliert, denn für die 12 Flüchtlingslager an den 9 Standorten werden jährliche Gesamtbetriebskosten von 6.219.578,08 Mio. Euro angegeben (s. Übersicht 1), das ergibt monatlich 518.298,17 Euro anstatt der vom Sozialministerium angegebenen 345.602,42 Euro. Der Trick: Während für die Berechnung der Mietkosten 1.489 BewohnerInnen als Grundlage dienten, werden für die Lagerkosten 2187 BewohnerInnen als Grundlage gewählt. 698 Personen sind frei hinzuerfunden. Die Kosten der Lagerunterbringung werden dadurch um 33,3% heruntergerechnet. Bereinigt um diesen Taschenspielertrick ergeben sich Einsparungen von monatlich 47.695,75 bei einer Unterbringung in Privatwohnungen, auf ganz Bayern hochgerechnet ergibt das ein Einsparvolumen von knapp 3 Mio. Euro.

„Es war ein netter Versuch, kurz vor der Sitzung des Koalitionsausschusses zu behaupten, die Unterbringung von Flüchtlingen wäre um 7,7 Millionen Euro billiger, als die Unterbringung in Wohnungen. Haderthauer trägt damit jedoch nicht dazu bei, die rigide Linie der CSU-Hardliner zu unterstützen. Wer die Zahlen so dreist frisiert, indem er wie in Gogols ‚Die toten Seelen’ nicht vorhandene Flüchtlinge in die Berechnung einbezieht, gibt sich der Lächerlichkeit preis“, kommentiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir hätten vom Sozialministerium mehr erwartet, als einen solch plumpen Täuschungsversuch. Dennoch haben wir mit den unüberprüfbaren Kostenaufstellungen aus den Haushalten von Sozial- und Innenministerium die Kosten der Lagerunterbringung nachgerechnet. Das Ergebnis: Flüchtlingslager sind jährlich um mindestens 2,83 Mio. Euro teurer als Privatwohnungen.“

Die Täuschungsmanöver des Sozialministeriums


Mangelnde Transparenz: Keine detaillierte Kostenaufstellung

Entgegen des einstimmigen Beschlusses des Landtagsplenums werden die Kosten der Flüchtlingslager nicht detailliert dargelegt. Stattdessen wird aus 7 Haushaltsposten des Sozialministeriums eine nicht weiter nachvollziehbare Summe für „Miet- und Bewirtschaftungskosten“ (s. Übersicht 1) gebildet. Im Weiteren werden in die Berechnung Personalkosten einbezogen, die aus dem Haushalt des Innenministeriums stammen. Ob die daraus gebildete Gesamtsumme tatsächlich alle Kosten enthält, lässt sich nicht nachprüfen. Da das Sozialministerium in der Vergangenheit alles dafür getan hat, die wirklichen Kosten der Lagerunterbringung zu verschleiern, begegnen wir der Versicherung, „alle bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften anfallenden Betriebskosten wurden in die Berechnung der Gesamtkosten der Gemeinschaftsunterbringung aufgenommen“ (S. 4), mit großem Misstrauen.

„Die toten Seelen“: Unterbringungskosten werden künstlich heruntergerechnet
Auf der Grundlage der „Gesamtkosten der Gemeinschaftsunterbringung“ werden für 12 Flüchtlingslager an 9 Standorten die Unterbringungskosten pro Person und Monat berechnet. Doch anstatt die Gesamtkosten für den Betrieb der Flüchtlingslager durch die dort konkret untergebrachten BewohnerInnen zu teilen, um herauszufinden, wie viel der Freistaat Bayern pro Flüchtling aufwenden muss, werden der Berechnung „die in den jeweiligen Unterkünften zur Verfügung stehenden Plätze zugrunde gelegt“ (S. 3). Dadurch werden 698 frei erfundene Flüchtlinge in die Berechnung einbezogen, die es gar nicht gibt. Dieses Vorgehen ist inakzeptabel, denn es sind nie alle zur Verfügung stehenden Plätze belegbar. Denn einerseits kommen derzeit so wenige Flüchtlinge in Bayern an, dass die Kapazitäten der Flüchtlingslager die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge bei weitem übersteigen, andererseits müssen z.B. zwei Plätze in einem Vierbettzimmer leer bleiben, wenn darin eine alleinerziehende Frau mit einem Kind untergebracht ist. Dieser plumpe Rechentrick dient dazu, die Unterbringungskosten in Neuburg an der Donau (385 untergebrachte Flüchtlinge bei einer Kapazität von 480 Plätzen) von 222,19 Euro künstlich auf 178,19 Euro herunterzurechnen, in Aholfing-Obermotzing (19 untergebrachte Flüchtlinge auf 40 Plätzen) sogar von 677,49 Euro auf 321,81 Euro.

Mal mit, mal ohne tote Seelen: Der Vergleich der Unterbringungskosten in Lagern und Wohnungen
Hat das Sozialministerium in seiner Stellungnahme zuvor argumentiert, man dürfe der Berechnung der monatlichen Unterbringungskosten pro Person nicht die konkrete Belegung der Flüchtlingslager zugrunde legen, „da sich bei der Unterbringung laufend Schwankungen sowohl bei der Zahl der unterzubringenden Asylbewerber als auch bei deren Zusammensetzung (mehr Familien oder mehr Einzelreisende) ergeben“ (S. 2), tut es das beim direkten Vergleich der Unterbringung in Lagern und Privatwohnungen. D.h. beim direkten Kostenvergleich zwischen Lagern und Wohnungen werden die „toten Seelen“ herausgerechnet. So ist wenig verwunderlich, dass die neu errechneten Gesamtkosten der Lagerunterbringung ohne tote Seelen deutlich die Gesamtkosten der Lagerunterbringung unterschreiten, die aus den Haushalten von Sozial- und Innenministerium errechnet wurden. Während also die Unterbringung von 385 Flüchtlingen in Neuburg an der Donau nach dieser Rechnung monatlich mit 68.246,77 Euro zubuche schlägt, betragen die tatsächlichen Aufwendungen für das Neuburger Flüchtlingslager 85.531,19 Euro, entsprechend kostet die Unterbringung von 19 Flüchtlingen in Aholfing-Obermotzing angeblich nur 6114,39 Euro, obwohl die monatlichen Betriebskosten dieses Lagers 12.872,31 Euro betragen.
Legt man die aus den Haushalten von Sozial- und Innenministerium errechneten Gesamtkosten der Gemeinschaftsunterbringung zugrunde, wendet der Freistaat Bayern für die 12 untersuchten Flüchtlingslager jährlich insgesamt 6.219.578,08 Euro auf. Die Unterbringung der in diesen 12 Lagern lebenden 1489 Flüchtlinge soll stattdessen ohne tote Seelen aber nur mit 4.147.229,04 Euro zubuche schlagen. Wo die über 2 Millionen Euro hin verschwunden sind, sagt das Sozialministerium nicht. Festzuhalten bleibt jedoch, dass durch diese Rechentricks die Unterbringungskosten in Lagern um 33,3 % heruntergerechnet wurden. Private oder gewerbliche Vermieter, die so wirtschaften würden, wären innerhalb kürzester Zeit Pleite und müssten Insolvenz anmelden.

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