Süddeutsche Zeitung, 07.12.2005

Zurück in das Chaos

Polizei präsentiert überraschend Pass-Ersatz für Iraker

Süddeutsche Zeitung: Der irakische Flüchtling Burhan Karim Zangana, der seit Monaten am Münchner Flughafen im „Niemandsland“ festgehalten wird und formal als „nicht eingereist“ gilt, soll nun in seine Heimat zurückgeschickt werden. Das Verwaltungsgericht lehnte gestern endgültig sein Asylgesuch ab, da er die behauptete politische Verfolgung als Mitglied von Saddam Husseins Baath-Partei nicht konkretisieren konnte.

Entscheidend für die geplante Rückführung aber ist, dass die Bundespolizei gestern ein „Laissez Passer“ genanntes Papier präsentierte, das als Pass-Ersatz die Rückkehr ermöglichen soll. Bisher war die an fehlenden Papieren gescheitert. Zangana sollte noch am gestrigen Dienstag via Jordanien fliegen. Ob dies gelang, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Grund für weitere Verzögerungen könnten diplomatische Verwicklungen mit dem Fall der im Irak entführten Susanne Osthoff sein, erklärten die Vertreter der Bundespolizei.

Wie berichtet, war Zangana im April mit falschen Papieren in München gelandet. In den folgenden Monaten wurde er zwischen der Abschiebehaft in Stadelheim und einer Flughafenunterkunft hin- und hergeschickt. Formal hält er sich bis heute im Transitbereich auf, da die Behörden ihm die Einreise verweigerten. Die formale Nicht-Einreise bedeutet nun, dass Zangana keinen Abschiebeschutz genießt. Für den Irak gilt zwar seit Jahren ein Abschiebestopp, allerdings nur für Eingereiste. Damit dürfte er seit Jahren der erste Iraker sein, der von Deutschland aus in das Chaos seiner Heimat zwangsweise zurückgeschickt wird, so sein Anwalt Michael Sack.

Richter Dietmar Wolff zeigte sich „verwundert“ und „erstaunt“, dass die Bundespolizei plötzlich das Ausreisepapier präsentierte. Es wurde wenige Tage vor dem Gerichtstermin von der irakischen Botschaft ausgestellt. Dieselbe Botschaft hatte im Juli nach persönlicher Vorsprache des Flüchtlings das Papier verweigert. Jetzt genügte offenbar amtlicher Druck für das „Einsehen“ (eine Vertreterin der Bundespolizei) der Iraker.

Richter Wolff machte deutlich, dass der Verlauf des Verfahrens „nicht ideal“ sei. So blieb unter anderem ein Eilantrag Zanganas vier Monate lang im Verwaltungsgericht liegen, weil er in der falschen Kammer gelandet war. Im Laufe des Verfahrens war es zudem zu rechtswidrigen Entscheidungen zweier anderer Gerichte gekommen. Dazu kommt die juristisch umstrittene Tatsache, dass Zangana ohne richterlichen Beschluss am Flughafen eingesperrt ist - weil sein Festhalten juristisch nicht als Haft gilt.

Bernd Kastner

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