Mainpost, 02.05.2009

Würzburg: Stadtrat beschließt Gutschein-System

Passende Kleidung für Flüchtlinge

Die Kritik an den Zuständen in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber bleibt nicht ohne Wirkung: Nach einem Beschluss des Stadtrats sollen sich Flüchtlinge ihre Kleidung künftig selbst aussuchen können.

Bis dato werden die derzeit rund 450 Menschen mit gebrauchten Sachen aus der Altkleiderkammer der Caritas und über ein Bestellsystem versorgt. Diese Praxis ist nach Ansicht der Grünen „für alle Seiten unbefriedigend, kosten- und zeitintensiv“. Außerdem würden Wahlmöglichkeiten und Selbstbestimmung der Flüchtlinge eingeschränkt. Ergebnis: Erwachsene und Kinder tragen Klamotten oder Schuhe, die nicht passen oder ihren kulturellen Gepflogenheiten widersprechen.

Dennoch hatte der Sozialausschuss des Stadtrats mit 8:6 Stimmen einen Grünen-Antrag zur Einführung eines Gutschein-Systems abgelehnt. Damit sollten die Betroffenen in der Stadt einkaufen können. Auch in Schweinfurt und anderen Unterkünften, so die Argumentation, hätten sich Gutscheine bewährt.

Überraschend hat Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD) in der Stadtratssitzung den Beschluss des Sozialausschusses reklamiert. Es sei ein sinnvoller Beitrag der Stadt, auf diese Weise die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Sozialreferent Robert Scheller, im Ausschuss noch gegen Gutscheine, pflichtete jetzt dem OB bei. Aus seiner Sicht verstoße ein Gutschein-System zwar gegen die Vollzugspraxis des Freistaats. Gleichwohl sei angesichts der aktuellen Diskussion um die GU nicht mit einer Beanstandung zu rechnen.

40 Stadträte gaben schließlich dem Sozialreferenten das Plazet, ein Gutschein-System zu erarbeiten. Damit sollen die Asylbewerber künftig im gemeinnützigen Kaufhaus „Brauchbar“ neue oder gebrauchte Kleider einkaufen können. Nur fünf Stadträte waren gegen die Verbesserung für die Flüchtlinge: Erich Felgenhauer, Helga Hoepffner (beide CSU), Egon Schrenk (FDP), Jürgen Weber und Ingo Klünder (beide WL).

Heftiges Kopfschütteln rief Felgenhauer hervor. Er stellte die Kritik an der Enge in der GU – viele Flüchtlinge leben jahrelang in Vier- oder Fünfbettzimmern – mit dem Hinweis in Frage, dass auch in Krankenhäusern oder Altenheimen Vierbettzimmer normal seien. „Ich habe Äußerungen gehört, die schmerzen“, reagierte Antonino Pecoraro (Grüne), der Vorsitzende des Ausländerbeirates. Grünen-Fraktionschef Matthias Pilz machte das Kernanliegen deutlich: „Es geht nicht um mehr Leistungen oder Sozialromantik, sondern um Selbstbestimmung und Würde. Flüchtlinge sollen selbst Kleidung aussuchen, die für sie sinnvoll ist.“

„Es geht nicht um Sozialromantik“

Der Rat entspricht nun einer Forderung zahlreicher Hilfsorganisationen. Die Kleidung selbst aussuchen zu können, berichtet Ursel Bartsch vom Ökumenischen Asyl-AK, entspringe dem Bedürfnis, „am normalen Leben teilzunehmen und aus der Unmündigkeit herauszukommen“.

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