Mainpost, 23.04.2009

Würzburg als abschreckendes Beispiel

Kritik an Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber: Heute Anhörung im Landtag

Es kommt Bewegung in die bayerische Flüchtlingspolitik. An diesem Donnerstag findet im Landtag eine Anhörung zur Unterbringung von Asylbewerbern in Sammellagern statt. In den vergangenen Monaten war die Kritik an Gemeinschaftsunterkünften (GU) immer lauter geworden. Im Dezember wurde die Schließung zweier Einrichtungen in München beschlossen.

Bayerns größte GU befindet sich in Würzburg. Hier leben auf engstem Raum in der Ex-Emery-Kaserne zurzeit 450 Flüchtlinge aus 35 Nationen, darunter 43 Familien und 67 Kinder. Seit Jahren wird die Kasernierung der Menschen und ihre eingeschränkte Versorgung beklagt. Bis dato aber wollte die Staatsregierung nicht von ihrem harten Kurs abweichen. Seit der Landtagswahl scheint dies anders.

Laut Bayerischem Flüchtlingsrat werden als Notiz zum Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP die Gemeinschaftsunterkünfte für geduldete Ausländer in Frage gestellt. Das sind jene Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt ist, die aber wegen Kriegs oder anderer Umstände (noch) nicht in ihr Heimatland zurückkehren können. Viele von ihnen leben jahrelang in der GU. In Würzburg teilen sich vier bis fünf Erwachsene ein Zimmer. Nur Familien mit mehr als zwei Kindern bekommen ein zweites Zimmer.

Zur Anhörung unter Federführung des Sozialausschusses sind 25 Sachverständige geladen. Einer von ihnen ist August Stich, Chefarzt der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg. Das „Missio“ kümmert sich um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge. Stichs Befund: „Diese Situation macht die Betroffenen krank.“ Dass die Regierung selbst integrierte Familien gezwungen hat, aus Privatwohnungen in eine Gemeinschaftsunterkunft zu ziehen, bezeichnet der Chefarzt als „historischen Fehler“.

Ihn zu korrigieren, dazu sind zumindest Sozialpolitiker in der CSU bereit. Der Würzburger Landtagsabgeordnete Oliver Jörg und Landtagspräsidentin Barbara Stamm halten vor allem die Lage für Familien für verbesserungswürdig. Erst am Montag hatte Jörg zu einem Runden Tisch geladen, um sich über Erfahrungen in der Würzburger GU zu informieren. Stich war dabei – außerdem Seelsorger, Caritas, der örtliche Bürgerverein und ehrenamtlich Engagierte.

Sie alle kommen zum gleichen Urteil: Das Zusammenpferchen vieler Menschen unterschiedlichster Herkunft schafft soziale und gesundheitliche Probleme. Kinder hätten unter solchen Bedingungen kaum eine Chance, sich normal zu entwickeln. Schulen und Kindergärten im Stadtteil könnten die Probleme nicht auffangen. Es solle, so der Wunsch, den Flüchtlingen freigestellt werden, ob sie in der GU oder in Privatunterkünften wohnen wollen.

Andreas Jungbauer

Zurück