Süddeutsche Zeitung, 20.04.2009

Willkommen in Bayern, Heimat mit Hindernis

Landtags-Anhörung befasst sich mit der Asylpolitik

Es ist nur ein Halbsatz - aber er sagt so viel aus. Fördert die Unterbringung in beengten Sammellagern, Mehrbettzimmern und mitunter verrotteten Containerunterkünften die "Bereitschaft" von Flüchtlingen "zur Rückkehr in das Heimatland"? Bedeutet diese Passage aus Paragraph 7 der sogenannten Asyldurchführungsverordnung (siehe links), dass man den Hilfesuchenden aus aller Welt das Leben in Bayern bloß nicht zu komfortabel gestalten sollte? Kritiker aus den Landtagsfraktionen der Grünen oder der FDP sowie der Bayerische Flüchtlingsrat befürchten dies und fordern, dass die gesamte Asylpolitik auf den Prüfstand soll. An diesem Donnerstag wird dies im Landtag geschehen - Experten aller beteiligten Organisationen sollen zur Asylsozialpolitik angehört werden.

Etwa 7600 Menschen sind zurzeit in Bayern in 118 Flüchtlingslagern untergebracht. Anders als in anderen Bundesländern müssen die Flüchtlinge, auch wenn sie eine Arbeitsstelle haben, gemeinsam auf begrenztem Raum leben, bis ihre Aufenthaltserlaubnis da ist. In ausgedienten Kasernen, ehemaligen Bürogebäuden, Metallcontainern oder alten Gasthöfen teilen sie sich Gemeinschaftsküchen und Bäder. Familien mit kleinen Kindern hausen beengt in nur einem Zimmer, beim Zusammenleben verschiedenster Nationalitäten kommt es immer wieder zu Konflikten.

" . . . sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern . . ." - es ist dieser eine Halbsatz, der auch Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) handeln lässt. Sie will den Satz komplett aus der Asyldurchführungsverordnung streichen und startet eine Initiative im Ministerrat. "Der Satz wird dahingehend fehlinterpretiert, dass die sozialrechtliche Regelung zur Verteilung und Unterbringung von Ausländern zusätzlich dem Zweck dienen soll, auf diese Druck auszuüben, unabhängig von ihrer rechtlichen Situation freiwillig in ihre Heimatländer zurückzukehren", kritisiert die Ministerin.

Viele Container, in denen Familien hausen, sind von Schimmel befallen, Ratten laufen über trostlose Vorplätze. Haderthauer hatte im Dezember vergangenen Jahres als Konsequenz die sofortige Schließung von zwei maroden Metallcontainer-Lagern in München angeordnet. Haderthauers Sozialministerium will, dass sämtliche derartige Unterkünfte in Oberbayern schließen. "Ich möchte die Asylpolitik zeitgemäß ausrichten, es muss Wohnqualität gewährleistet sein", sagt die Politikerin. Besonders auf die Bedürfnisse und die Privatsphäre von Familien will sie achten. Es kommt also Bewegung in die bislang starre Asylhaltung Bayerns.

Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat ist nach gut 20 Jahren Beobachtung der "menschenunwürdigen Lagerpolitik", wie er sagt, in diesen Tagen ein kleines bisschen optimistisch. Er erhofft sich von der Expertenanhörung am Donnerstag eine Verbesserung der Lebensbedingungen. "Es hat keinen Sinn, Flüchtlinge in riesige Zwangs-Wohngemeinschaften zu quetschen. Das ist ein reines Repressions-Instrument. Andere Bundesländer stellen auch Wohnungen zur Verfügung." Die Grünen-Abgeordnete Renate Ackermann, die die Anhörung forciert hatte, hofft ebenfalls auf eine liberalere Flüchtlingspolitik: "Über Jahre hinweg hat die Bayerische Staatsregierung auf diesem Gebiet unnachgiebige Härte demonstriert. Ein besonders abschreckendes Beispiel für diese rigide Haltung ist die Unterbringung von Asylbewerbern." Die Schließung der zwei Münchner Unterkünfte werten die Grünen als Signal für die richtige Richtung.

Ein Zimmer für sich, eine Tür, die man abschließen kann und nachts einfach nur Ruhe - das ist der Traum vieler Asylsuchenden, die in den großen Sammellagern leben, berichtet Alexander Thal. "Am schlimmsten ist der Verlust jeglicher Privatsphäre, die Unterbringung mit Fremden im Mehrbettzimmer ist auf Dauer zermürbend." Was sich der Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrats von diesem Donnerstag erhofft: "Flüchtlinge müssen bei uns wie alle anderen Menschen behandelt werden."

Ulrike Heidenreich

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