Abendzeitung, 23.04.2009

Werden die Sammellager für Bayerns Flüchtlinge abgeschafft?

Sam Algam will eine eigene Wohnung - das Gesetz verbietet es. Foto: Mike Schmalz
Sam Algam kam nach Deutschland, weil er frei leben wollte. Im Irak, seiner Heimat, wurde seine Familie verfolgt. Vor einem Jahr flüchtete Algam nach Deutschland. Heute lebt der 17-Jährige in der Flüchtlingsunterkunft Hintermeierstraße in Allach – zusammen mit 200 anderen Flüchtlingen.

„Ich will hier raus!“, sagt Sam Algam. „Hier ist es schmutzig und laut.“ Er hält es nicht mehr aus. Die vielen Menschen um ihn herum. Der Schimmel in der Dusche. Die Wanzen, die aus den Wänden hervorkriechen. Sam sagt, dass er sich nicht konzentrieren kann, wenn er nachmittags Hausaufgaben macht. An einer Hauptschule will er den Abschluss schaffen. „Ich möchte in eine eigene Wohnung ziehen“, sagt Algam.

7600 Flüchtlinge leben in 118 Sammelunterkünften

Doch in eine eigene Wohnung darf Sam Algam nicht. Das steht im Landesaufnahmegesetz. Darin heißt es, dass die bayerischen Flüchtlinge „in der Regel“ in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden müssen. Und zwar so lange, bis sie Aufenthaltsstatus haben. Das kann viele Jahre dauern. Bayern legt das Gesetz so strikt aus, dass fast alle Flüchtlinge in die Sammellager müssen. Die Folge: Auf engstem Raum leben Menschen aus allen Krisengebieten der Welt zusammen. Die von Kriegen traumatisierten Menschen nutzen gemeinsam Küche, Toilette, Dusche. Dass die Unterbringungen dreckig sind, ist klar. Die Flüchtlinge kommen ihrer Pflicht, selbst für die Sauberkeit zu sorgen, nicht nach. Mediziner haben nachgewiesen: Die Flüchtlinge werden in den Lagern krank.

Der heutige Donnerstag ist eine Trendwende in Bayern: Im Landtag findet eine Expertenanhörung zur Situation der 7600 Flüchtlinge statt, die in den 118 Sammelunterkünften in Bayern leben. Auf Antrag der Grünen kommen vier Landtagsausschüsse mit Flüchtlingen, Medizinern und Kirchenvertretern zusammen.

Sozialministerin Haderthauer will eine "adäquate Wohnqualität" für Flüchtlinge

Vor der Landtagswahl 2008 wäre das undenkbar gewesen. Die CSU blockte mit ihrer Mehrheit jegliche Versuche der Opposition ab, an der Situation der Flüchtlinge etwas zu ändern. Die CSU beschloss mit ihrer Mehrheit 2002 sogar eine Verordnung, in der steht, dass die Einweisung in ein Sammellager die Rückkehr der Flüchtlinge ins Heimatland „fördern“ soll. Es drängte sich der Verdacht auf, dass die Lager absichtlich vernachlässigt wurden, um Flüchtlinge in die Flucht zu schlagen.

Doch die Haltung der CSU hat sich geändert: durch den Koalitionspartner FDP. „Wir haben ein Umdenken angestoßen“, sagt FDP-Sozialsprecherin Brigitte Meyer. In der Tat hört sich die CSU heute anders an: „Ich möchte die Asylpolitik des Freistaats Bayern zeitgemäß ausrichten“, flötet Sozialministerin Christine Haderthauer. „Dazu gehört für mich auch, dass für Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften eine adäquate Wohnqualität gewährleistet sein muss.“ Zwei Container-Lager in München hat sie schon schließen lassen. Die Ergebnisse der Anhörung will die Ministerin „gerne mit einbeziehen“.

Aber was heißt das? „Die Lager müssen geschlossen werden“, fordert Renate Ackermann, asylpolitische Sprecherin der Grünen. „Die Würde des Menschen ist in den Lagern nicht gewährleistet“, sagt Isabell Zacharias, migrationspolitische Sprecherin der SPD. Dass zentrale Einrichtungen als erste Anlaufstellen bestehen müssen, ist Konsens. Danach sollen die Flüchtlinge jedoch in Wohnungen kommen. Maximal ein Jahr soll der Aufenthalt im Lager laut Grünen und SPD dauern. Die Größe der Wohnung soll sich nach den Regeln für Hartz-IV-Empfänger richten. Für die Verpflegung soll es Geld geben statt Essens-Pakete.

Doch so weit will die CSU ihren politischen Gegnern nicht entgegenkommen. „Hartz-IV-Leistungen für Asylbewerber sind strikt abzulehnen“, poltert Innenminister Joachim Herrmann. Das würde „neue Anreize für zusätzliche illegale Einwanderung schaffen“. Heutzutage kommen längst nicht mehr so viele Flüchtlinge nach Bayern wie in den 90er Jahren. Das soll nach Herrmanns Meinung auch so bleiben.

Trotzdem ist Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat optimistisch, dass die Anhörung etwas bringt: „Der Druck ist da“, sagt er.

Volker ter Haseborg

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