Süddeutsche Zeitung, 13.05.2008

Wenig Raum für Kinder-Flüchtlinge

Die wachsende Zahl junger Asylbewerber schafft Probleme bei ihrer Betreuung

Brennpunkt Baierbrunner Straße: Der Freistaat will mehr Geld geben für die Betreuung junger Flüchtlinge. Foto: Haas

Sie kommen fast alle aus dem Irak, aus einer zerstörten Heimat. Sie suchen Schutz und Hilfe in München - und finden desolate Verhältnisse vor. Die Rede ist von Jugendlichen, die ohne Eltern kommen, im Behörden Jargon UMF genannt: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie werden für die ersten Monate in der Baierbrunner Straße einquartiert, der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Fast alle der Ankömmlinge sind männlich, im Haus steht ihnen ein eigener Trakt zur Verfügung.

Was zunächst ganz gut klingt, ist bei genauerem Hinsehen reichlich unzureichend. Elisabeth Ramzews sieht jeden Tag genau hin, weil sie das Team der Inneren Mission (IM) dort leitet, das die Jugendlichen betreut, genauer: Betreuen sollte. Denn vieles, was dringend geboten wäre, ist nicht möglich, sagt Ramzews. Es fehlen Räume, es fehlt Personal. Ramzews hat nun dem zuständigen bayerischen Sozialministerium einen Mängelkatalog präsentiert. Die acht Zimmer in dem Trakt müssen sich 37 junge Männer teilen - ausgelegt sind sie für lediglich 16 Flüchtlinge. Wenn sie kochen wollen, stehen ihnen gerade mal zwei Kochstellen in einer vier Quadratmeter großen Küche zur Verfügung. Oft werde sie auch von erwachsenen Hausbewohnern benutzt. In den Zimmern fehlten Vorhänge oder an derer Sichtschutz an den Fenstern völlig, oft würden die Scheiben einfach mit Zeitungen verklebt, erzählt Ramzews.

In den durchschnittlich drei Monaten, die ein Flüchtling in der Baierbrunner Straße bleibt, können sich die Betreuer gerade mal rund sechs Stunden persönlich um ihn kümmern, also zwei Stunden im Monat. Es sei überhaupt nicht möglich, einen Flüchtling zur Asylanhörung zu begleiten oder sich um Krisen zu kümmern, so Ramzews. Keine Zeit. Und das, obwohl sich die jungen Menschen in einer äußerst prekären Situation befinden, oft traumatisiert sind. Auch pädagogische Arbeit für die gesamte Gruppe, von der Konfliktbewältigung bis zur Freizeitgestaltung, komme viel zu kurz. Und Informationen zu Gesundheitsvorsorge, Hygiene oder Aids-Prävention falle völlig unter den Tisch.

Neben den Jugendlichen seien es auch die IM-Mitarbeiter, die unter den Zuständen litten, sagt Ramzews: „Die Arbeitssituation ist total desolat.“ Und sie werde immer prekärerer, weil immer mehr Minderjährige in München ankämen. Seien es in den ersten vier Monaten 2006 noch 26 Neuzugänge, sei ihre Zahl in diesem Jahr bereits auf 42 angestiegen.

Im Sozialministerium nimmt man die Klagen offenbar ernst: „Wir sehen das Problem“, erklärt eine Sprecherin und verspricht: „Wir werden auf jeden Fall mehr Geld geben.“ In der Regierung von Oberbayern, zuständig für die Erstaufnahmeeinrichtung, sieht man die Situation dagegen längst nicht so kritisch: Sprecher Heinrich Schuster berichtet von Vandalismus, weshalb die Vorhänge fehlten. Außerdem seien die Zimmer ja sehr groß, also sei es gar nicht so eng, und außerdem müsse die Stadt München demnächst 14 Jugendliche in städtische Einrichtungen übernehmen. Und dass die Küche zu eng sei, sei völlig neu. „Bisher haben sie nicht so eifrig gekocht.“

Bernd Kastner

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