Mainpost, 12.06.2012

Weitere Iraner nähen sich die Münder zu

Hungerstreik ausgeweitet


Der umstrittene Protest iranischer Flüchtlinge gegen die Asylpolitik in Bayern weitet sich aus: Am Montag sind weitere zwei Männer und eine Frau, die aus dem Iran stammen, mit zugenähten Mündern in den Hungerstreik getreten.

Die Frau lebte bislang in Bayreuth, einer der Männer kommt aus Augsburg, der andere aus Würzburg. Die „Auswärtigen“ verstoßen nach Angaben von Sprecher Armin Jahanizadeh bewusst gegen die ihrer Meinung nach „menschenunwürdige Residenzpflicht“, die Asylbewerbern Bewegungsfreiheit nur in dem Regierungsbezirk erlaubt, in dem die für sie zuständige Ausländerbehörde sitzt.

Laut Jahanizadeh haben sich aktuell sechs Demonstranten am Infostand in der Würzburger Fußgängerzone die Lippen zugenäht. Die Hungerstreikenden hätten angekündigt, „ausschließlich Wasser“ zu sich zu nehmen. Ein Iraner, der zunächst ebenfalls dabei war, sei mittlerweile als Asylbewerber anerkannt worden und habe die Aktion abgebrochen.

Schon 13. Protestwoche

Sprecher Jahanizadeh rechnet mit weiteren Iranern „aus ganz Bayern und Deutschland“, die auf diese radikale Weise für ihre Anerkennung als Asylbewerber kämpfen wollen. Insgesamt nahm am Montag ein knappes Dutzend Flüchtlinge an der Mahnwache am Dominikanerplatz teil. Der Protest geht damit in die 13. Woche.

Derweil haben die Würzburger Ärzte Dr. Rainer Schohe und Ali Hami, die die Demonstranten bislang betreuten, einen offenen Brief an die Stadt geschrieben. Darin heißt es, die jüngsten Entwicklungen – „Neuaufnahme des Hungerstreiks mit zugenähten Lippen und Beteiligung uns unbekannter Flüchtlinge“ – zwinge sie zu einer „Neubewertung“ ihres Engagements. Man respektiere zwar die Entscheidung der Flüchtlinge, ihrer Verzweiflung durch eine „dramatische Eskalation ihres Handelns“ symbolisch Ausdruck zu verleihen.

Kritik nimmt zu

Jedoch glauben Schohe und Hami, „bedingt durch mehrere Neuzugänge in der Gruppe und die maximal eingeschränkten Lebens- und Untersuchungsbedingungen vor Ort (kein geschlossenes Zelt, keine ausreichenden Schlaf- und Ruheplätze für die Hungerstreikenden, Verbot eines Ventilators im Zelt, etc.)“ ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden zu können. Man gebe daher die „Verantwortlichkeit für die Gesundheit und das Leben der Flüchtlinge“ zurück an die Stadt Würzburg.

Gleichfalls sehr emotional liest sich ein Brief der Grünen-Landtagsabgeordneten Simone Tolle an „meine iranischen Freunde am Dominikanerplatz“. Darin bewertet Tolle den bisherigen Protest der Iraner als „großartigen Erfolg“, auch wenn noch nicht alle Demonstranten als politisch Verfolgte anerkannt sind.

Mut, Ideen und Durchhaltevermögen der Flüchtlinge hätten nicht nur sie, schreibt Tolle, sondern auch viele Menschen in Würzburg und Umgebung beeindruckt. Es sei gelungen, die Lage von Flüchtlingen zu einem Thema „mitten in der Stadt“ zu machen. „Und da gehört es meiner Meinung auch hin.“ Mit dem erneuten Hungerstreik und den zugenähten Lippen aber gefährdeten die Iraner nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die Solidarität der Bevölkerung. Wörtlich schreibt die Grünen-Politikerin: „Ihr habt eine Grenze überschritten, die jeden politischen Dialog für die Sache aller Flüchtlinge unmöglich macht.“

Michael Czygan

Quelle: Mainpost

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