Süddeutsche Zeitung, 17.02.2011

Vergessene Kinder

Bei der Umsiedlung von Flüchtlingen verrechneten sich die Behörden


Mit allen Kräften hatten sich im Juli 2010 mehr als 80 Bewohner des Landshuter Flüchtlingslagers gegen ihre zwangsweise Umsiedlung in das abgelegene Dorf Schöllnstein im niederbayerischen Kreis Deggendorf gewehrt - zu Recht, wie sich nun zeigt. Das Dorf ist so klein, dass es dort für mindestens elf Flüchtlingskinder im Alter zwischen sechs und 15 Jahren keine Möglichkeit zum Schulunterricht gibt, wie die Flüchtlingshilfsorganisation 'Karawane München' erklärte. 'Die zuständigen Behörden haben aber bislang auch keinen Versuch unternommen, die Kinder in den Schulunterricht umliegender Dörfer und Städte zu integrieren', kritisierte ein Sprecher. Nach dem bayerischen Schulgesetz seien diese Kinder aber ebenso schulpflichtig wie ihre deutschen Altersgenossen.

Die Gemeindeverwaltung von Iggensbach, zu der die Ortschaft Schöllnstein gehört, reagierte überrascht. Offensichtlich wusste man dort gar nichts von diesem Problem und verwies schließlich mit Hinweis auf die Schweigepflicht auf die Ausländerbehörde des Landkreises. Im Landratsamt Deggendorf hieß es, das Schulamt sei erst jetzt von der Caritas auf diese Kinder aufmerksam gemacht worden. 'Heute wurde angeordnet, dass die Kinder noch diese Woche in eine ihnen entsprechende Schule gehen können', sagte ein Sprecher am Mittwoch. Warum bislang niemand von den schulpflichtigen Flüchtlingskindern in der Gemeinschaftsunterkunft Schöllnstein wusste, kann sich im Landratsamt auch keiner erklären. Aus Sicht der Hilfsorganisation Karawane ist die Unterbringung in der abgelegenen Ortschaft sowohl für die Flüchtlinge als auch für die Ortseinwohner belastend. Inzwischen leben in Schöllnstein 90 Asylsuchende, die Anzahl der alteingesessenen Dorfbewohner beträgt lediglich 71.dm

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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