Frankenpost, 29.04.2009

Unbehagen hinter Stacheldraht

Angeblich zur Sicherheit der Bewohner ist das Flüchtlingsheim in Würzburg von einem hohen Zaun mit Mauer und Stacheldraht umgeben. Foto: dpa
Würzburg - Vier Kinder hat Hediye Ekinci. Wenn sie in der Schule sind, hat die 33-Jährige Zeit für den Haushalt. Hediyes Mann arbeitet, seit einem halben Jahr hat er einen Job, seit langer Zeit mal wieder. Die türkische Familie musste 1995 aus ihrem Land fliehen und lebt seitdem in Europa. Eigentlich sollte die Würzburger Flüchtlingsunterkunft - eine ehemalige US-Kaserne - nur kurz ihr Zuhause werden, zumal sich sechs Menschen zwei Zimmer teilen müssen. Doch Familie Ekinci ist mittlerweile seit zwei Jahren hier. Niemand weiß, ob sie nicht doch in die Türkei zurück muss.

Couch und Computer

"In Würzburg ist es ein wenig besser als in anderen Heimen", erzählt die Türkin. Eine große Couch, Fernseher, Computer, Kühltruhe - die Grundausstattung ist da, sie haben es sich so gemütlich wie möglich gemacht. Dennoch müssen sich die Ekincis mit anderen Familien Küche, Dusche und Toilette teilen. In der Flüchtlingsunterkunft, einer von 110 bayernweit, leben 450 Asylbewerber aus 35 Ländern.

Direkt an einer vierspurigen Schnellstraße sind die Menschen untergebracht, umgeben von einer hohen Mauer samt Stacheldraht. Wer auf das drei Fußballfelder große Gelände will, wird kontrolliert, zur Sicherheit der Bewohner, wie Thomas Weingart von der Regierung von Unterfranken erläutert. Dass die Asylbewerber in den vier ockerfarbenen Häusern unter katastrophalen Bedingungen hausen, wie Kritiker anmerken, bestreitet Weingart. "Wir bemühen uns wirklich." Annehmlichkeiten wie in einem Luxushotel gebe es freilich nicht.

Kontrollen am Eingang

Der Bayerische Flüchtlingsrat nennt die Unterkünfte "Lager". In Würzburg, der bayernweit größten Asylbewerber-Unterkunft, herrschten menschenunwürdige Bedingungen. Zaun und Sicherheitsschleuse stigmatisierten die Menschen. Tobias Klaus vom Flüchtlingsrat spricht gar von einem "Klima der Angst" durch die Zutrittskontrollen. Wohlfahrtsverbände fordern, Familien und die Flüchtlinge, die sich selbst finanzieren können, nicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft zu zwingen. Sozialministerin Christine Haderthauer hat jetzt angekündigt, sich der Problematik anzunehmen. Einheitliche Standards müssten her, Würzburg sei ein Beispiel, "was zum Handeln auffordert".

dpa

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