Mainpost, 13.02.2012

Suizid im Asylheim: Protest und Trauer auf der Straße

Schwere Vorwürfe nach dem Selbstmord von Mohammad Rahsepar - Asylbewerber machen Politik mitverantwortlich

 

Nach dem Suizid des Iraners Mohammad Rahsepar in der Würzburger Gemeinschaft (GU) appellieren Flüchtlinge an die Politik: Die Lebensbedingungen für Asylbewerber müssten dringend verbessert werden. Bei Kundgebungen am Montag in Würzburg machten sie ihrem Unmut Luft und trauerten um den Toten. Der Leichnam des 29-Jährigen soll nach Angaben seiner Schwester in dieser Woche zur Bestattung in den Iran überführt werden.

Die Kosten von einigen Tausend Euro sind mit Spenden aus der Bevölkerung gedeckt. Genug ist zwischenzeitlich eingegangen. Eine Anteilnahme, für die sich Rahsepars Schwester Azar am Montag ausdrücklich bei den Unterstützern bedankte. Sie tat dies bei einer asylpolitischen Demonstration von Flüchtlingen aus ganz Bayern. Rund 160 Menschen – die meisten von auswärts, einige waren sogar aus Cham im Bayerischen Wald angereist – zogen vom Hauptbahnhof durch die Würzburger Innenstadt zur Regierung von Unterfranken.

„Die bayerische Regierung hat den Hilfeschreie von Mohammad nicht gehört.“ Azar Rahsepar, Schwester des Toten


Es waren weniger Teilnehmer als von Versammlungsleiterin Lisa Thomas erwartet. Vielleicht lag es am nasskalten Wetter, vielleicht an der Kontroverse, die sich um den Protest aufgebaut hatte. Gruppierungen aus dem neokommunistischen, antifaschistischen und antireligiösen Lager hatten dazu aufgerufen. Ehrenamtlich Engagierten und etlichen Asylbewerbern war diese Ausrichtung zu ideologisch. Der Würzburger Ausländerbeirat vermisste Klarheit über die Organisatoren der Demonstration.

Angemeldet wurde sie schließlich – als Privatinitiative – von einigen Flüchtlingen und deutschen Freunden. Dennoch beteiligte sich eine Antifa-Gruppe an dem Zug. Und auch die Exil-Iranerin Mina Ahadi – Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, Kommunistin und Atheistin – ergriff am Ende das Mikro. Flankiert von Personenschützern, forderte sie Freiheit für politische Gefangene im Iran. Sie geißelte die gängige Asylpraxis in Deutschland und rief Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zu einer Erklärung über den Tod Rahsepars auf. Auch die Würzburger Uniklinik, wo der Iraner Stunden vor dem Suizid behandelt wurde, nahm sie rhetorisch unter Beschuss: „Ein Mensch wurde umgebracht.“

So weit mochte die Schwester des Toten nicht gehen. Dennoch erhob auch Azar Rahsepar schwere Vorwürfe. Ihr Bruder sei durch die Situation in der GU depressiv geworden. „Er hat sich wie in einem Gefängnis gefühlt. Er war so verzweifelt, dass er sich erhängt hat.“ Die medizinische Versorgung kritisierte sie scharf: Ärzte hätten sich nicht um ihren Bruder gekümmert, sagte die 40-Jährige. Auch nicht am letzten Tag in der Klinik, „sonst wäre er noch am Leben“.

An die Politik gerichtet, meinte die in Köln lebende Iranerin, die selbst als politisch Verfolgte anerkannt ist: „Die bayerische Regierung hat den Hilfeschrei von Mohammad nicht gehört.“ Sie hoffe, dass nun wenigstens für andere Asylbewerber die Gefahren durch psychische Belastung erkannt und beseitigt würden. Die Demonstranten, darunter nur geschätzte 20 Flüchtlinge aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft, skandierten ihre Forderungen lautstark beim Zug durch die Innenstadt: „Menschenrechte für alle!“, „Lagerpflicht abschaffen!“, „Essenspakete abschaffen!“. Manche Passanten zeigten sich verwundert, andere verständnislos. Kommentare von „Was soll das jetzt bringen?“ bis zu „Ich würde die alle rausschmeißen“ waren zu hören.

Die Organisatoren der Kundgebung trugen in mehreren Sprachen ihre sechs Kernforderungen vor. Zu ihnen zählt eine Verkürzung der Asylverfahren. Die Isolation eines Menschen in einem Zustand des Wartens und der Ungewissheit sei ein „eindeutiger Fall von Folter“. Weitere Forderungen sind die Schließung von Gemeinschaftsunterkünften und die Erlaubnis, in Privatwohnungen zu leben, Arbeitsgenehmigungen, Deutsch-Kurse zur besseren Integration, die Aufhebung der Residenzpflicht (Bezirk darf nicht verlassen werden) und die Abschaffung des Systems der Essenspakete.

Für die Gruppe der „Trauernden Mütter“ im Iran kündigte Mercedeh Mohseni an, den Suizid-Fall in einem Beschwerdebrief ans UN-Flüchtlingswerk und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu geben.

Nicht um laute politische Forderungen, sondern um stille Trauer ging es am Abend dann beim wöchentlichen Würzburger Montagsspaziergang. Er wurde als Gedenkzug dem toten Mohammad Rahsepar gewidmet. Rund 100 Menschen zogen durch die Innenstadt, darunter auch einige Asylbewerber aus der GU.


Von Andreas Jungbauer

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