Süddeutsche Zeitung, 03.08.2011

Straftäter oder Personen mit ungeklärter Identität bleiben ausgeschlossen. Schwierige neue Heimat

Das Kabinett lockert die Zwangsunterbringung von Flüchtlingen, aber die Lagerpflicht bleibt

 

Bei der Frage, wie Flüchtlinge aus aller Herren Länder denn nun am besten in Bayern untergebracht werden könnten, waren die Be- und Empfindlichkeiten in der Staatsregierung so groß, dass es ein gutes Jahr dauerte, ehe ein Asylkompromiss am Dienstag in der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause als Gesetzesänderung auf den Weg gebracht wurde. Fazit ist, dass die Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften gelockert wird. Doch bei der Ausformulierung des Gesetzentwurfes hatte es starke Unstimmigkeiten zwischen dem CSU-geführten Innenministerium gegeben, das strenge Regeln mit wenig Spielraum gefordert hatte, und der FDP, die auf eine liberalere Tonart drängte.

Schon im Jahr 2009 hatte es regierungsinterne Querelen gegeben - wegen eines Halbsatzes aus der Asyldurchführungsverordnung, den Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) damals streichen lassen wollte. '...sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern...' - lautete die umstrittene Formulierung, die die Art der Unterbringung von Flüchtlingen in oft beengten, verrotteten staatlichen Gemeinschaftsunterkünften beschrieb. Mit der angestrebten Gesetzesänderung sieht sich die Ministerin aber auf einem guten Weg: 'Die bayerische Asylsozialpolitik wird familiengerecht weiterentwickelt.'

Kernpunkt ist, dass Familien und alleinstehende Eltern mit Kindern aus den Flüchtlingslagern in eine eigene Wohnung umziehen dürfen, sobald ihr Asyl-Erstverfahren abgeschlossen ist. Alle übrigen Asylbewerber dürfen erst nach vier Jahren aus einer der 116 bayerischen Unterkünfte ausziehen. 'Dies kommt aber nicht in Frage für Straftäter oder für Personen, deren Identität sich nicht klären lässt', so Haderthauer.Bevor der Gesetzentwurf im Landtag behandelt wird, werden noch die Verbände gehört.

Beim Bayerischen Flüchtlingsrat stößt der Gesetzentwurf auf harte Kritik: 'Die Lagerpflicht besteht weiter, das ist absolut unbefriedigend', sagt Alexander Thal, der Bayern bei der Unterbringung von Flüchtlingen auf dem 'vorletzten Platz' sieht - nur Baden-Württemberg habe strengere Vorschriften.

Die Freien Wähler bemängeln, dass es keine Ausnahmeregelungen für unbegleitete Jugendliche, traumatisierte Flüchtlinge oder Schwangere gebe. Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) forderte die Staatsregierung auf, die Gemeinschaftsunterkünfte komplett abzuschaffen, weil diese 'eines Staates mit humanistischen und christlichen Grundwerten nicht würdig' seien. Auch das Fazit der Landtags-Grünen ist vernichtend. 'Schwarz-Gelb hat über ein Jahr gebraucht, um den windelweichen Asylkompromiss in einen Gesetzentwurf zu bringen', so die Abgeordnete Renate Ackermann. Die Klagen über die schlechten Zustände in den Sammelunterkünften häuften sich. 'Und nun sind die Betroffenen weiter verpflichtet, über Jahre hinweg darin zu wohnen.
Etwa 18000 Asylbewerber sind derzeit in Bayern registriert, etwa die Hälfte lebt in den Gemeinschaftsunterkünften.

 

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