Mainpost, 30.03.2012
Standpunkt: Falsche Perspektive
Dass es immer wieder Schlagzeilen rund um die Würzburger Asylbewerber-Unterkunft gibt, ist kein Zufall. Die Einrichtung ist eine der größten in Bayern. Und die Probleme damit zwangsläufig.
Zwar wäre es fahrlässig, den tragischen Selbstmord eines jungen Iraners direkt auf die Art seiner Unterbringung zurückzuführen. Niemand weiß wirklich, was den Mann in seinen letzten Stunden bewegte – und ob eine andere Unterbringung an seiner Verzweiflung etwas geändert hätte. Auch den Behörden kann man keinen direkten Vorwurf machen: Nach allem, was man weiß, haben sie im vorgegebenen Rahmen korrekt gehandelt.
Und doch wirft der Fall ein grelles Schlaglicht auf eine noch immer vom Abwehrgedanken geprägte bayerische Asylpolitik, die Flüchtlingen die Perspektive nimmt, statt ihnen eine neue zu geben.
Man muss kein Sozialromantiker sein, um Gemeinschaftsunterkünfte abschaffen zu wollen. Ein bisschen Menschlichkeit reicht schon.
Henry Stern
Quelle: Mainpost (Würzburg)