Süddeutsche Zeitung, 01.07.2013

Sprecher der Verzweifelten

Hungerstreik der Flüchtlinge

Rädelsführer oder Botschafter? Ashkan Khorasani (links) spricht im Camp mit Hans-Jochen Vogel (Mitte) und Alois Glück (rechts). Foto: Robert Haas


Der junge Mann mit dem dichten, schwarzen Vollbart hat Behörden, Politiker und Medien beschäftigt wie kein anderer auf dem Rindermarkt. Das liegt am sympathischen, charismatischen Wesen des Iraners, an seiner Intelligenz und seinem geschliffenen Englisch, mit dem er fast jeden Gesprächspartner ins Stottern bringt.

Das liegt aber auch an seiner Art, die OB Christian Ude "unerbittlich" nennt. Ashkan Khorasani, 24, hat den Behörden gesagt, was Sache ist im Camp, angeblich. Dass die Flüchtlinge nichts anderes wollen als ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, und dass es ihnen ernst sei, todernst.

Er selbst hat sich nicht am Hungerstreik beteiligt und nennt sich "messenger", Botschafter. Die Gruppe der etwa 50 Flüchtlinge, die unterschiedlichen Ländern stammen, habe ihn ausgewählt, ihre Entscheidungen zu überbringen. ZDiese seien nach langen Diskussionen und nach Übersetzungen in mehrere Sprachen beschlossen worden, das betonte Khorasani immer wieder.

Wer dies in Frage stellte, der sah sich seitens der Unterstützergruppe dem Vorwurf ausgesetzt, die Flüchtlinge nicht für fähig zu halten, selbst zu entscheiden. Aber gilt das auch für Flüchtlinge, die sich seit Tagen im Hunger- und Durststreik befinden? Können die immer noch die Tragweite ihres Neins zu einem Protestende abschätzen? Welchen Einfluss er tatsächlich hat, ist von außen kaum zu beurteilen.

Khorasani, der inzwischen in Berlin lebt, ist vor drei Jahren zu Fuß über die Berge in die Türkei geflüchtet, er wurde in Deutschland als politisch Verfolgter anerkannt. Wer diesen Status erreicht, der muss viel erlitten haben in der Heimat. Er kommt aus der kommunistischen Opposition zum Regime im Iran, und es ist nicht übertrieben, ihn als radikalisiert zu beschreiben. Gewaltfrei, wenn man von der Gewalt seiner Worte absieht.

"Wenn unsere Körper zu unseren Waffen werden", stand in einer Erklärung der Unterstützergruppe, mit der sie den Flüchtlingen aber keinen Gefallen taten, weil sie darin auch Bobby Sands und Holger Meins erwähnen. Fortan mussten die Aktivisten versichern, dass sie die Namen eines IRA-Mitglieds und eines RAF-Terroristen nicht benutzt hätten, um sich auf eine Stufe mit Terroristen zu stellen. Es sei allein um die Form des Hungerstreiks als Druckmittel gegangen. Sands und Meins starben daran.

Khorasani hat im vergangenen Jahr, als er den Protestmarsch einer Gruppe von Flüchtlingen von Würzburg nach Berlin mitorganisierte, der SZ zwei Interviews gegeben. Zur Residenzpflicht sagte er: "Ich will kein Gesetz respektieren, das meine Rechte nicht respektiert." Er vermittelte dabei auch einen Eindruck, wie er und viele andere ihr Leben in Deutschland empfinden: "Als Flüchtling ist man hier in dieser Gesellschaft der Letzte in der Reihe. Das einzige, was uns übrig bleibt, ist zu kuschen, Anordnungen zu befolgen - ohne Rechte. Und das merkt man vom ersten Augenblick an, in dem man ins Flüchtlingslager kommt."

Bernd Kastner

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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