Regensburg Digital, 24.02.2010
Sondergesetze und respektlose Behandlung
In dem kleinen Zimmer drängeln sich Medienvertreter, Asylbewerber und Angehörige von Flüchtlingsorganisationen. Normalerweise wohnen auf den vielleicht 18 Quadratmetern vier Personen, heute sind es über 20, die sich hier getroffen haben. Die BI Asyl und das Regensburger Flüchtlingsforum haben zum Pressegespräch in die „Gemeinschaftsunterkunft” Plattlinger Straße eingeladen. Anlass ist der vor kurzem beendete Hungerstreik in den Flüchtlingslagern in Hauzenberg und Breitenberg. Derzeit werden dort die Essenspakete boykottiert. Die Flüchtlinge in Regensburg wollen ihre Solidarität bekunden, über ihre Situation berichten und sich den Forderungen der Flüchtlinge im Landkreis Passau anschließen.
Diese Forderungen sind altbekannt. Bargeld statt Essenspakete, Bewegungsfreiheit über die Landkreisgrenzen hinaus (Abschaffung der Residenzpflicht), das Recht zu arbeiten, eine Aufhebung der Lagerpflicht und nicht zuletzt eine respektvollere Behandlung durch die Behörden. Seit Anfang der 80er werden sie in regelmäßigen Protestwellen aufgestellt und ebenso regelmäßig ignoriert. Gotthold Streitberger (BI Asyl) spricht von „Sondergesetzen und Zwangsmaßnahmen mit dem erklärten Ziel der Abschreckung und Ausgrenzung”.
Seit den letzten Landtagswahlen schien Bewegung in die Debatte gekommen zu sein. Bei einer Landtagsanhörung im April 2009 lautete das Fazit: Die Umstände, unter denen Flüchtlinge insbesondere in Bayern leben müssen, machen krank und sind diskriminierend. Im Landtag gäbe es eine – zumindest rechnerische – Mehrheit für eine Lockerung der rigiden bayerischen Asylpraxis. SPD, Freie Wähler und Grüne haben entsprechende Gesetzesentwürfe vorgelegt, die FDP war mit dem Thema in den Landtagswahlkampf gegangen und selbst in der CSU gibt es entsprechende Stimmen. Allein: Es tut sich nichts.
Wie sich die Lebensbedingungen konkret auswirken, wird deutlich, als die Flüchtlinge zu Wort kommen. Eine faulige Birne aus einem Lebensmittelpaket wird gezeigt, Bestelllisten, die es ausschließlich in deutscher Sprache gibt. Einen Monat im Voraus muss das Essen bestellt werden. Zwei Mal wöchentlich liefert das baden-württembergischen Unternehmen Drei-König die Pakete an.
Ein Großteil des Essens lande im Müll, erzählt ein junger Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien. Fleisch verderbe meist schon nach zwei Tagen. Lebensmittel wie Butter, Milch oder Jogurt seien oft nur noch einen oder zwei Tage haltbar. „Allein der logistische Aufwand kostet mehr, als wenn man den Flüchtlingen Bargeld geben würde”, vermutet Marion Puhle vom Regensburger Flüchtlingsforum.
Ein Iraner, Mitte 40, legt einen Strafbefehl auf den Tisch 250 Euro soll er wegen unerlaubten Verlassen des Landkreises bezahlen. „Ich lebe seit 17 Jahren in Deutschland. Wenn ich die ganze Zeit in Regensburg bleibe, werde ich verrückt.” Seine Duldung – Aussetzung der Abschiebung – muss der Mann einmal monatlich verlängern lassen.
Über ihre Rechte, welche Behörde wofür zuständig ist, was erlaubt ist und was nicht oder wann ihnen eine medizinische Behandlung zusteht werden die Asylbewerber nicht aufgeklärt. Zumindest nicht von den zuständigen Stellen bei der Regierung der Oberpfalz. Allenfalls Mitarbeiter der Caritas leisten hier Hilfestellungen. „Wer neu hier ankommt, kriegt erst einmal zwei drei Strafen”, sagt ein Inder, Mitte 20. Ein „Behördenwegweiser” wurde von der Regierung in der Vergangenheit mehrfach versprochen. Es gibt ihn bis heute nicht.
Für Kinder gilt: Mund halten und nicht auffallen. Sonst wird die Familie verlegt. Ein Aushang in der „Gemeinschaftsunterkunft“. Foto: AignerSeinen Namen will an diesem Tag keiner der Flüchtlinge nennen. Sie haben Angst vor Repressionen durch die Ausländerbehörde (Rechts im Bild: Ein Behördenaushang in der Unterkunft). „Dort behandelt man uns wie Dreck”, fällt mehrfach. Der Umgangston sei unfreundlich (Rechts im Bild: Ein Behördenaushang in der Unterkunft), das „Du” übliche Anrede. Bei Fragen erhalte man keine oder auch falsche Informationen. Hie und da fiele auch die Drohung einen „fertig zu machen”. „Man lässt uns spüren, dass wir nichts zu melden haben.”
„Es geht nicht ums Geld, sondern darum, den Menschen das Leben so unangenehm wie möglich zu machen”, sagt Streitberger. Ein bislang unwidersprochener Beleg dafür ist ein Gutachten des bayerischen Flüchtlingsrats. Demnach würden dem Steuerzahler 13 Millionen Euro erspart, würde man die Flüchtlinge nicht zwangsweise in Lagern unterbringen, sondern ihnen erlauben, sich selbst eine Wohnung zu suchen.
Stefan Aigner
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