Süddeutsche Zeitung, 05.12.2008

Seltene Eintracht

Hin und wieder gibt es diese Momente, in denen man als Bürger so etwas wie Stolz empfindet auf seine Abgeordneten. Am Mittwochabend war im Landtag so ein Moment. Die Abgeordneten aller Parteien, also auch der CSU, haben der Regierung von Oberbayern klar gemacht, dass auch Flüchtlinge eine menschenwürdige Behandlung verdienen. Für die Regierung, als Unterbehörde des Innenministeriums zuständig für die Unterbringung von Asylbewerbern, ist das die größte anzunehmende Blamage. Dort wollte man mit teils zynischen Ausflüchten bis zuletzt verschleiern, dass man verantwortlich ist für diese katastrophalen Behausungen.

Die Grünen haben in einer unabgesprochenen Allianz mit der neuen Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) die Koalitionspolitiker davon überzeugt, dass die mehr als 400 Flüchtlinge unverzüglich aus den zwei desolatesten Münchner Containerunterkünften befreit werden müssen. Die Einsicht bei der CSU kam spät, aber immerhin. Nun muss der zweite Schritt folgen: Die Flüchtlinge brauchen neue Quartiere, und zwar solche, die ihnen nicht ihre mühsam aufgebauten sozialen Bindungen zerstören.

Auch in Zukunft haben die Abgeordneten noch viel Gelegenheit, ihr christliches, soziales und liberales Gewissen unter Beweis zu stellen. Die Ratten-Container sind nur der ekelhafteste Ausdruck eines seit Jahren andauernden unsozialen Umgangs mit Menschen in Not. Man nötigt Flüchtlinge noch immer Essenspakete auf; zwingt sie weiter in Groß-Unterkünfte, verbietet ihnen oft das Arbeiten. Und wenn man sie zwecks Abschiebung zu Straftätern ins Gefängnis sperrt, verlangt man auch noch Unsummen von Menschen, die nichts verbrochen haben: 70 Euro pro Tag in einer bayerischen Zelle. Das ist nicht christlich, nicht sozial, nicht liberal.

Bernd Kastner

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