Die Welt, 02.07.2013
Seehofer will bessere Bedingungen für Asylbewerber
Nach der Auflösung des Hungerstreik-Camps mehrerer Dutzend Asylbewerber in München will die Staatsregierung die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Bayern verbessern. Ministerpräsident Horst Seehofer hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gedrängt, die Bearbeitung von Asylanträgen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu beschleunigen. Dabei geht es um 200 Stellen in der Behörde, die bislang offenbar mangels Bewerbern nicht besetzt sind.
"Die Bundesregierung muss hergehen und die Beamten abordnen", sagte Seehofer. "Wir wollen die Menschen hier humanitär unterbringen und behandeln." Friedrich nahm nach Seehofers Angaben am Vorabend an einem Spitzentreffen der bayerischen CSU/FDP-Koalition in der Staatskanzlei teil.
Als zweite Anregung nannte Seehofer die Erleichterung bürokratischer Auflagen. Für Asylbewerber gilt die "Residenzpflicht" – das heißt, dass sie den Regierungsbezirk, in dem sie untergebracht sind, nur mit Genehmigung verlassen dürfen. Viele Kommunen verlangen für die Genehmigung zehn Euro. Das will Seehofer abschaffen: "Das ist ein Appell an die Kommunen."
Uneinige Koalition
Als dritte Anregung nannte er bessere Lebensbedingungen für 70 jugendliche Asylbewerber, die ohne Eltern nach Bayern gekommen waren und derzeit in einer alten Münchner Kaserne untergebracht sind. "Wir werden in der Tat überlegen, ob man die woanders unterbringt und versucht, sie dem Deutschen und einer Ausbildung zuzuführen", sagte Seehofer.
Einig sind sich die schwarz-gelben Koalitionäre aber noch nicht. Nach Angaben von FDP-Fraktionschef Thomas Hacker wird auch überlegt, ob es zusätzliche Stellen in der Asylsozialberatung und in den Gemeinschaftsunterkünften geben soll, um Asylbewerber angemessen betreuen zu können.
Ein weiteres Thema ist die Abschaffung der Essenspakete, mit denen die Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften versorgt werden. "Essenspakete sollten die Ausnahme sein", sagte Hacker. Die Staatsregierung hatte auf Drängen der FDP und von CSU-Sozialpolitikern manche Vorschriften für Asylbewerber bereits gelockert – so dürfen Familien mit Kindern jetzt schneller aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen. Von 29 000 Asylbewerbern in Bayern seien 18 000 bereits außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht, sagte Seehofer.
Knackpunkt Finanzen
Hilfsorganisationen wie der Bayerische Flüchtlingsrat und Refugio fordern dagegen einen grundlegenden Kurswechsel und warfen der Staatsregierung fehlende Menschlichkeit bei der Behandlung der Asylbewerber vor.
Ein entscheidender Faktor werden jedoch die Kosten sein – Finanzminister Markus Söder war bei der Spitzenrunde in der Staatskanzlei nicht dabei. Aus CSU-Sicht ist ein grundlegender Kurswechsel nicht nötig. Kleinere Verbesserungen wären aus Sicht der Hilfsorganisationen aber nicht genug. Der Flüchtlingsrat forderte die Auflösung der Gemeinschaftsunterkünfte, die Abschaffung der Residenzpflicht und der Essenspakete und die Streichung des Arbeitsverbots in den ersten neun Monaten.
Der Hauptvorwurf: Durch die vielen Einschränkungen würden die Asylbewerber zur Untätigkeit gezwungen und überhaupt erst in die Abhängigkeit vom deutschen Sozialsystem getrieben. "Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislatur wieder ins Gespräch mit der Staatsregierung kommen", sagte Alexander Thal vom Flüchtlingsrat.
Die erzwungene Untätigkeit habe gravierende Folgen. "Das Verfahren ist extrem bürokratisch. Die Flüchtlinge empfinden das als Schikane", sagte Jürgen Soyer, Geschäftsführer von Refugio.
Quelle: Die Welt