Nürnberger Nachrichten, 29.07.2009
Seehofer pfeift Sozialministerin zurück
CSU hält an Asyl-Kurs fest - Haderthauer bleibt im Kabinett «allein auf weiter Flur»
Die soziale Revolution dauerte 24 Stunden. Am Montag verkündete Sozialministerin Christine Haderthauer per Interview, sie erwarte, dass ihre Partei den Kurs in der Asylpolitik korrigieren werde. Dann beklagte sie, Innenminister Joachim Herrmann «blockiert mich. Der nimmt mein Gesprächsangebot nicht auf.» Gestern musste die Ingolstädterin lernen, dass sie danebengegriffen hat.
«Ich habe das nicht ganz verstanden», sagt Joachim Herrmann. «Ich hatte bisher gemeint, dass ich ein gutes Verhältnis zu Haderthauer habe. Aber was sie behauptet, ist schlicht falsch. Das ärgert mich.» Ein Gesprächsangebot jedenfalls habe er nicht ablehnen können, «weil es nie eines gegeben hat. Ich habe nicht begriffen, was sie will.»
"Bereitschaft zur Rückkehr fördern"
Damit steht der Erlanger CSU-Politiker nicht allein. Kabinett wie Fraktion zeigten sich irritiert von Haderthauers Forderung, die CSU müsse Asylsuchende nach Möglichkeit nicht mehr in Sammelunterkünften, sondern in Wohnungen unterbringen. Zudem verlangte sie, dass ein Satz aus dem Gesetz verschwinde, der für die CSU essenziell ist. Die Unterkünfte, heißt es darin, müssten «die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern».
«Völlig unakzeptabel», findet das die Ministerin. Doch damit stand sie nach Teilnehmerberichten gestern im Kabinett «allein auf weiter Flur». Kein Wunder. Ministerpräsident Seehofer selbst gab die Linie vor. Er erinnerte seine Ministerin daran, dass sich die Regel bewährt habe, weil mit ihr die Zahl der Asylsuchenden seit Anfang der 90er Jahre dramatisch gesunken sei. Er erinnerte an den Erfolg der Republikaner Ende der 80er Jahre mit diesem Thema und daran, dass dies «die Kernkompetenz der CSU» betreffe und sie sich hier eine offene Flanke nicht leisten könne.
Thema ist abgeschlossen
Andere warnten, wer die Verordnung ändere, gehe «der Linken auf den Leim, die das einseitig interpretiert» und Stimmung gegen die CSU mache. Warum Haderthauer das Thema aufgegriffen hat, blieb den meisten ein Rätsel. «Wir hatten das im Mai schon einmal in der Fraktion diskutiert», sagt ein Teilnehmer. «Und wir dachten, das wäre abgeschlossen.»
Darauf setzt Joachim Herrmann jetzt erneut. «Meine Position ist bestätigt und das Thema abgeschlossen.» Selbstverständlich lasse er mit sich über Details reden, nur nicht über die grundsätzliche Linie. «Es bleibt dabei, dass wir keinen Anreiz schaffen wollen für Leute, die sich hier unrechtmäßig aufhalten.» Im Übrigen entsprächen die Unterkünfte «humanitären Standards». Dass dies so sei, folgert Herrmann aus dem Umstand, dass dort rund 900 Menschen leben, die «das nicht müssten, sondern von den Kommunen in privaten Wohnungen untergebracht werden könnten». Und Christine Haderthauer? Die gibt ihre Niederlage offen zu - und ist stolz, dass sie es wenigstens versucht hat.
Roland Englisch