Straubinger Tagblatt, 24.09.2009

Schimmel im Zimmer, es tropft von der Decke - Flüchtlingsrat zeigt Regierung von Niederbayern an

"...an den schlimmen Zuständen (hat sich) nichts geändert."

"Es stinkt nach Schimmel, die Luft ist feucht und nach einer Stunde im Zimmer von Samuel K. (Name geändert) bekomme ich Kopfschmerzen. (...) Das Zimmer, in dem der 25-Jährige wohnen muss, macht krank", so beschreibt der Journalist Stefan Aigner, dem Ende vergangener Woche der Zutritt in die Gemeinschaftsunterkunft gelang, die Verhältnisse dort auf seiner Homepage. "Immer, wenn die Bewohner über Samuel K. duschen, tropft es durch die Decke. Und geduscht wird häufig: Drei Familien teilen sich das Bad. Ein schwarzer, feuchter, stinkender Schimmelfleck markiert die Stelle, wo das Wasser durch das Mauerwerk kommt."

"Gib endlich a Ruh, sonst schicken wir dich zurück in den Dschungel"

Nicht nur in Samuels Zimmer dringe Wasser ein, ebenso in der Küche. Auch durch die Decke des Nachbarzimmers tropfe Wasser - hier komme es offenbar nicht aus der Dusche, sondern von der Toilette, schreibt Stefan Aigner weiter in seinem Erfahrungsbericht.

Deswegen hat der Bayerische Flüchtlingsrat jetzt Anzeige gegen die Regierung von Niederbayern wegen Körperverletzung gestellt. Samuel K. sei am Donnerstag, 17. September, in die Beratungsstelle gekommen und habe sich über die unwürdigen Verhältnisse beschwert. Seine mehrfache Bitte um Verlegung in ein anderes Zimmer sei von der Heimleitung abgelehnt oder zynisch gekontert worden: "Gib endlich a Ruh, sonst schicken wir dich zurück in den Dschungel." Die für das Flüchtlingswesen zuständige Abteilung der Regierung von Niederbayern habe umgehende Abhilfe zugesagt und den Mangelzustand des Zimmers mit einer langen, krankheitsbedingten Abwesenheit des Hausmeisters begründet.

Die Regierung von Niederbayern stellt den Fall auf Anfrage unserer Zeitung sehr viel anders dar. Zwar räumt sie in Person ihres Pressesprechers die Wohnmängel als vorübergehend ein - der Heimleiter habe davon Mitte August erfahren -, Anfang September seien allerdings bereits Dusche und Toilette repariert und die Mängel behoben worden. Samuel K. habe keinen Grund mehr zur Beschwerde. Zudem habe die Heimleitung, so die Auskunft der Bezirksregierung, dem Flüchtling ein anderes Zimmer angeboten, was hingegen Samuel K. abgelehnt habe.
 
Sowohl Flüchtling Samuel K. als auch Journalist Stefan Aigner bestreiten diese Darstellung. Es sei wahr, so Stefan Aigner, dass über dem Zimmer von Samuel K. "irgendetwas gemacht wurde", das habe aber an den schlimmen Zuständen bis zum gestrigen Tag nichts geändert. Das Wasser dringe weiterhin von oben her ein, es schimmele, die Luft sei feucht.

Samuel K. stammt aus dem westafrikanischen Sierra Leone, in dem ein grausamer Bürgerkrieg tobte. Sein Asylantrag ist im Anfang 2009 abgelehnt worden, das Widerspruchsverfahren läuft. Ende 2005 sei er, so erzählt Samuel K., zusammen mit seiner Schwester aus Sierra Leone geflohen.Sein Vater sei im Bürgerkrieg umgekommen. Seine Schwester sei seitdem traumatisiert. Sie lebe mittlerweile in einer Unterkunft in München. Jeden Monat muss Samuel K. seine Aufenthaltsduldung verlängern lassen.

Samuel K. erhält 40 Euro Taschengeld im Monat, Essenspakete und besagtes Zimmer. Seine Situation sieht er laut Stefan Aigner glasklar: "Ich habe keine Chance. Hier will man mir keine Perspektive geben."

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