Die Welt, 15.10.2012

"Roma fliehen vor struktureller Diskriminierung”


Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen in Nordrhein-Westfalen verweist der Flüchtlingsrat NRW auf Diskriminierung und rassistische Übergriffe auf Roma in Serbien und Mazedonien. "Diese Flüchtlinge fliehen vor systematischer, struktureller Diskriminierung und der daraus resultierenden Armut", sagte Geschäftsführerin Birgit Naujoks am Montag dem WDR. Roma seien weitgehend von Bildung und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

"Sie sind gezwungen, in irregulären Siedlungen zu wohnen, in denen immer Zwangsräumungen drohen", sagte Naujoks weiter. Roma seien einer Vielzahl rassistischer Übergriffe ausgesetzt und stünden so unter einem existenziellen Druck, der sie zur Flucht veranlasse.

Das nun von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geforderte beschleunigte Asylverfahren bei Antragstellern aus Serbien und Mazedonien sei nicht neu, erläuterte Naujoks. Beim Bundesamt für Migration, das die Asylanträge bearbeitet, würden Anträge aus diesen Ländern seit einiger Zeit beschleunigt behandelt, so dass diese Asylverfahren meist innerhalb von zwei Monaten beendet seien. Die ebenfalls von Friedrich angedachte Aufhebung der Visumsfreiheit bestehe bereits seit Einführung der Visumsfreiheit als Druckmittel der EU-Kommission im Fall steigender Antragszahlen.

Höhere Leistungen, mehr Asylbewerber?

Serbien und Mazedonien stünden aufgrund ihrer Annäherung zu einem Beitritt in die EU auf der sogenannten sicheren Liste der Bundesrepublik Deutschland. Daher erfolge bei Anträgen zwar eine Einzelfallprüfung, aber es werde grundsätzlich davon ausgegangen, dass keine Verfolgung herrsche, erläuterte die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats die erschwerte Hoffnung für Flüchtlinge aus diesen Ländern auf einen positiv beschiedenen Asylantrag.

Einen Zusammenhang zwischen den vom Bundesverfassungsgericht im Juli erhöhten Leistungen für Asylbewerber und dem Anstieg der Flüchtlingszahlen wies Naujoks zurück. "Es geht auf den Winter zu, und da steigen die Zahlen immer." Es sei nicht auszuschließen, dass einzelne Flüchtlinge davon gehört hätten und sich nun über erhöhte Leistungen freuen. "Aber das ist sicherlich weder Grund noch Anlass, hier hin zu kommen."

Viele Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan

Naujoks forderte mehr Integrationsbemühungen, etwa in Form einer sofortigen Arbeitserlaubnis und Deutschkursen, auch für solche Flüchtlinge, bei denen von einem negativen Bescheid des Asylantrags auszugehen ist. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass viele Menschen auch nach einem abgelehnten Asylantrag jahrelang in Deutschland leben. "Selbstverständlich ist es da besser, Integrationsleistungen zu gewähren."

Angesichts überfüllter Flüchtlingsunterkünfte kritisierte sie, dass die NRW-Landesbehörden nicht schon im Vorfeld weitere Kapazitäten geschaffen hätten. "Die Zahlen sind nicht erst jetzt gestiegen, sondern sie steigen seit Jahren." An vorderster Stelle stünden Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan.

Quelle: Die Welt

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