Mittelbayerische Zeitung, 10.03.2010

Regensburger Asylbewerber verweigern die Essenspakete

Der Protest weitet sich aus. Mit einem Boykott wollen Flüchtlinge menschenwürdige Lebensbedingungen erreichen.

Die Regensburger Asylbewerber nehmen die angebotenen Essenspakete nicht an. Foto: altrofoto.de

Khaled, Salam und Gihad stellen sich brav in der Schlange zur Ausgabe der Essenspakete an. Bernd Bucher, Leiter der Asylbewerberunterkunft in der Plattlinger Straße in Regensburg, stellt den Korb mit Weißbrot, Gurken, Zucchini, Äpfeln und Reis auf den Tisch. Aber Khaled, Salam und Gihad heben demonstrativ abwehrend die Hände. Sie wollen keine Pakete mehr. Der Essensboykott bayerischer Asylbewerber, der in Hauzenberg, Breitenberg und Bogen begonnen hat, ist jetzt auch in Regensburg angekommen.

Die Flüchtlinge demonstrieren für bessere Lebensbedingungen. Sie fordern Bargeld statt Essenspakete, eine Aufhebung der Residenzpflicht, die es ihnen nicht erlaubt, Stadt und Landkreis Regensburg zu verlassen und eine generelle Arbeitserlaubnis. Ähnliche Forderungen haben Asylbewerber in Niederbayern mit einem Hungerstreik untermauert, der jedoch abgebrochen wurde. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fährt eine harte Linie: „Ich sehe nicht, warum eine Versorgung der Flüchtlinge mit Sachleistungen nicht zumutbar sein sollte“, sagte er.

„Wir werden mit unserem Boykott durchhalten, bis eine positive Entscheidung gefallen ist“, sagt ein Kurde, der für die Regensburger Flüchtlinge spricht, seinen Namen aber nicht öffentlich genannt haben möchte. Er fürchtet um seine Duldung in Deutschland. „Wir wollen auch die Abschaffung der Lagerpflicht erreichen und fordern von den Behörden mehr Respekt vor unseren Anliegen“, sagt er.

Damit stehen die Asylbewerber in einer Linie mit Fachleuten, die im vergangenen Jahr bei einer Anhörung im Bayerischen Landtag beklagten, dass in den Flüchtlings-Unterkünften vielfach „katastrophale Zustände“ herrschten. Neben drangvoller Enge litten viele Flüchtlinge nach jahrelanger Unterbringung an psychischen Erkrankungen, zudem seien sexuelle Übergriffe auf Frauen keine Ausnahme. Das habe „negative Folgen für die ganze Gesellschaft“. Während das bayerische Sozialministerium zumindest für Verbesserungen bei Familien sorgen will, bleibt das Innenministerium zurückhalten. „Mit mir wird es keine Aufweichung der Asylpolitik geben“, so Minister Herrmann.

Die Regierung der Oberpfalz, zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge, betrachtet den Essensboykott laut Sprecher Joseph Karl zurückhaltend. „Das freut uns natürlich nicht“, sagte er gestern. Man könne aber nichts anderes tun, als den Asylbewerbern weiter Essenspakete anzubieten. „Eine Umstellung auf Geldleistungen wäre eine politische Entscheidung“, sagte er. Er relativierte die Bedeutung des Boykotts aber: Von den 161 Bewohnern der Sammelunterkunft an der Plattlinger Straße erhielten nur 55 Essenspakete. Davon hätten gestern acht gestreikt, ein Flüchtling habe seinen Boykott bereits wieder zurückgenommen.

Offen ist, ob Geldzahlungen billiger seien als Essenspakete. Laut Karl kostet ein Drei-Tages-Paket für Erwachsene 14,88 Euro, ein Vier-Tages-Paket 16,42 Euro. Wer sein Paket längerfristig nicht abhole, werde von der Verpflegung abgemeldet, sagte Unterkunftsleiter Bucher. „Wir können das Essen ja nicht einfach wegwerfen.“

Fritz Winter

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http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=3088&pk=530957&p=1

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