Erlanger Nachrichten, 25.01.2012

Rache für öffentliche Kritik?

Stadt Erlangen weist Vorwürfe des Flüchtlingsrates zurück


Für den bayerischen Flüchtlingsrat sieht es aus wie eine Racheaktion des Ausländeramtes, weil Ali H. die Behörde öffentlich kritisiert hat. Ali H. soll jetzt bezahlen: 5157,50 Euro, für seine — so der Flüchtlingsrat — „rechtswidrige Abschiebung“ aus dem Jahr 2007. Die Stadt Erlangen wehrt sich gegen den Vorwurf: Ihre Zahlungsaufforderung sei keineswegs rechtswidrig. Die Stadt reagiere auf eine Aufforderung der Regierung von Mittelfranken.

 Ali H. (45) ist inzwischen als Flüchtling anerkannt. Im November letzten Jahres war sein Fall publik geworden, als mehrere Flüchtlingsorganisationen und der Ausländer- und Integrationsbeirat die Erlanger Ausländerbehörde in einer Pressekonferenz scharf angegriffen hatten.

„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Ausländerbehörde Erlangen aufgrund der öffentlichen Vorwürfe Ali H.s Ausländerakte Blatt für Blatt umgedreht hat, um etwas gegen ihn zu finden. Dabei ist sie auf die offenen Abschiebekosten gestoßen“, sagt Alexander Thal, der Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrates.

Ali H. hat eine leidvolle Geschichte hinter sich. Er stammt aus dem Iran. Ali H. konvertiert dort zum Christentum, wird verfolgt und flieht nach Deutschland. Seinen Antrag auf Asyl lehnen die Gerichte zunächst ab.

Ali H. will daraufhin einen Asylfolgeantrag stellen, doch das verhindert ein Mitarbeiter der Erlangen Ausländerbehörde: Er hatte Ali H. nicht rechtzeitig eine Reiseerlaubnis erteilt, um persönlich bei der zuständigen Behörde den Asylfolgeantrag einzureichen. Ali H. wird deshalb in Abschiebehaft genommen und in den Iran abgeschoben. Ereignet hat sich dies im August 2007.

Im Iran wird Ali H. inhaftiert und gefoltert. Ihm gelingt erneut die Flucht nach Deutschland, er beantragt erneut Asyl und wird im November 2008 als Flüchtling anerkannt: Aus denselben Verfolgungsgründen, die er schon 2007 hatte vorbringen wollen, die er aber nicht artikulieren durfte, weil ihm die Reiseerlaubnis verwehrt worden sei, so Alexander Thal. „Die Abschiebung war aus heutiger Sicht rechtswidrig“, sagt deshalb Thal. Und er unterstellt einen Zusammenhang zwischen der öffentlichen Kritik an der Erlanger Ausländerbehörde, die bayernweit für Wirbel gesorgt hatte, und der aktuellen Aufforderung an Ali H., die Kosten für seine Abschiebung aus dem Jahr 2007 nun zu begleichen: „Es ist ein Skandal, nun einen Flüchtling in dieser Weise abzustrafen, der sich getraut hat, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Das wirkt wie eine Racheaktion“.

Die Stadt Erlangen weist die Vorwürfe zurück: Rechtsreferentin Marlene Wüstner sagte gestern im Gespräch mit den EN, die Stadt sei auf „Aufforderung der Regierung von Mittelfranken“ tätig geworden. „Wir sind bei der Überprüfung der Akten darauf hingewiesen worden, dass diese Kosten noch offen sind.“ Das habe nichts mit Rache zu tun. Die Rechtsreferentin der Stadt hält auch die damalige Abschiebung nicht für rechtswidrig: Zu diesem Zeitpunkt hätten alle Instanzen gesagt, man könne Ali H. keine Aufenthaltserlaubnis geben.

Ali H. will den Zahlungsbescheid nicht hinnehmen. Sein Münchener Anwalt hat die „Niederschlagung der Forderung“ beantragt.

RALF H. KOHLSCHREIBER

Quelle: Erlanger Nachrichten

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