Süddeutsche Zeitung, 26.03.2012

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Eine spezielle Polizeiinspektion organisiert die Abschiebungen

 

Manchmal, erzählt Polizeihauptkommissar Harald Deflorin, mache er sich schon Gedanken über Einzelschicksale. „Aber die Entscheidung über eine Abschiebung ist ja schließlich auf anderer Ebene schon gefallen", sagt er.
Seine Dienststelle, die Polizeiinspektion „Schubwesen", ist eine in Bayern einmalige Einrichtung: Sie organisiert die Gefangenensammeltransporten von Justizvollzugsanstalt zu Justizvollzugsanstalt, sie organisiert aber auch im Auftrag der bayerischen Ausländerbehörden die Abschiebungen über den Land- und Luftweg. Die Polizeiinspektion „Schubwesen" wurde 1949 gegründet, seit 1994 erledigt sie ihre Arbeit in München-Giesing in der St.-Quirin-Straße 2, in der Nähe des Mittleren Rings, und nur wenige hundert Meter von der Justizvollzugsanstalt Stadelheim entfernt.

Es habe im vergangenen Jahr 1200 Abschiebungen gegeben, davon etwa 90 Prozent über den Luftweg, berichtet der Chef der Polizeiinspektion, Polizeihauptkommissar Gerhard Weikersdorfer. Er sagt, dass von den Ausländerbehörden ein Drittel mehr Ausweisungen in Auftrag gegeben worden seien. Einige wurden kurzfristig aber storniert, weil „die Rechtsbasis nicht sicher war, eine Petition eingereicht wurde oder eine abzuschiebende Person schwer krank oder schwanger geworden ist, sodass ihr ein Transport nicht zugemutet werden konnte", sagt Weikersdorfer.

Die 22 Beamten bearbeiten jeden Schritt der Abschiebungen von Bayern
 
aus in die ganze Welt - viele davon über den Münchner; Flughafen. Sie prüfen, welche Polizeidienststelle für den Transport zuständig ist. Sie entscheiden, wie viele Beamte dafür benötigt werden; sie teilen diesen mit, wo die Personen abgeholt ¦werden, müssen. Sie vergleichen die Angebote der Fluggesellschaften und wählen günstige Flüge aus - „nach Möglichkeit Direktflüge ohne Zwischenstopps", sagt Weikersdorfer.
Manche straffällig gewordenen Asylbewerber sind auf diesen Flügen ein Sicherheitsrisiko für die anderen Passagiere und müssen deshalb von Beamten begleitet werden. Meist sei dies Aufgabe von Bundespolizisten, erklärt Weikersdorfer. Auch für sie bucht die Polizeiinspektion „Schubwesen" die Tickets und gegebenenfalls Unterkünfte in den Zielländern.

In Ausnahmefällen werden sogar Charterflüge für einzelne Personen organisiert. Jüngst war dies der Fall, als der „Westparkmörder", der 1993 in München den 40-jährigen Architekten Konrad H. erstochen hatte, nach Slowenien abgeschoben wurde. Über ein Drittel der Abschüblinge seien verurteilte Straftäter, sagt er. Neulich habe ein Kollege einen abgelehnten Asylbewerber in die Elfenbeinküste überführt. Die Bundespolizei hätte zwar keine Bedenken gehabt, die Dienststelle aus Giesing habe jedoch befürchtet, dass der Mann handgreiflich werden könnte, sich beim, Innenministerium eine Genehmigung eingeholt.

Nicht selten seien die Bedenken begründet. Viele der ausgewiesenen Asylbewerber versuchen wieder nach Deutschland zu gelangen. Sie versuchen es „ein drittes, viertes oder gar fünftes Mal", erzählt Polizeihauptkommissar Deflorin, sodass er oft die Ausweisung ein und derselben Person wiederholt bearbeiten muss.   

Von Patrick Mayer

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