welt online, 07.09.2012

Protestcamp abgebaut – Marsch nach Berlin geplant

Ibrahima Diallo (l.), Arash Dosthossein (M.), Hamid Haghayeghi (r.) protestieren gegen Abschiebungen

 

54 Tage lang haben Aktivisten in ihrem Protestcamp am Rhein ausgeharrt. Sie wollen, dass Abschiebungen gestoppt und Flüchtlinge in Heimen untergebracht werden. Nun marschieren sie nach Berlin.

Die Koffer sind gepackt, schnell werden die Banner abgehängt, die beiden Pavillons abgebaut: Am Montag haben drei Flüchtlinge gemeinsam mit einigen Unterstützern ihr Protestcamp am Mannesmannufer beendet – vorerst, wie Sprecher Arash Dosthossein sagt.

Ab Samstag werden sich die Aktivisten an einem Protestmarsch nach Berlin beteiligen. Sollte es keine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge geben, würden sie erneut in der Landeshauptstadt demonstrieren.

Am 10. Juli hatten vier Flüchtlinge ihr Camp am Johannes-Rau-Platz aufgeschlagen. In mehreren Städten hatten sich ähnliche Protestlager gegründet. Auslöser war der Selbstmord eines aus dem Iran stammenden Mannes im Januar in Würzburg.

Die Forderung: Abschiebungen stoppen

Auch Arash Dosthossein, der vor einem Jahr aus dem Iran nach Deutschland geflohen ist, hat zunächst in der bayrischen Stadt mitprotestiert, Mitte Juli kam er dann nach Düsseldorf. Die Landeshauptstadt hat für die Aktivisten besondere Bedeutung, da vom hiesigen Flughafen Einwanderer abgeschoben werden.

"Viele kommen in ein Land zurück, das sie zehn, 20 Jahre nicht gesehen haben", so Agit Boztemur, der als Dolmetscher im Camp hilft. Viele der abgeschobenen Kinder seien gar in Deutschland geboren. "Vor allem Sammelabschiebungen werden aus Düsseldorf gemacht. In extra gecharterten Flugzeugen, damit niemand etwas mitbekommt", so Simone Froschauer von der Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative Stay.

Der sofortige Stopp von Abschiebungen sowie der Unterbringung in Flüchtlingsheimen und die Abschaffung der Residenzpflicht sind laut Dosthossein die Hauptforderungen der Düsseldorfer Aktivisten, die mit der vor allem in Bayern aktiven "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten" zusammenhängen.

Viel Unterstützung, wenig Anfeindungen

In ihrem Camp hätten sie viel Unterstützung erfahren, berichten die Protestler. Anfeindungen seien lediglich im Einzelfall vorgekommen. Trotzdem sagten sie am Montag, dass sie "sehr enttäuscht" von den Reaktionen öffentlicher Vertreter aus Düsseldorf seien. So hätten sie sich gewünscht, dass mehr Landtagsabgeordnete das Gespräch mit ihnen gesucht hätten.

Von der Polizei sehen sie sich "schikaniert". Hintergrund dieses Vorwurfs ist, dass die Polizei den Flüchtlingen verboten hatte, in ihrem Camp auch zu übernachten. Nachdem die Aktivisten Klage eingereicht hatten, kassierte das Oberverwaltungsgericht Münster dieses Verbot schließlich und erlaubte den Protestlern, zwei Betten in einem Zelt aufzustellen.

Aufgrund des geplanten Olympic Adventure Camps für Kinder mussten die Flüchtlinge aber Anfang August an das Mannesmannufer umziehen. Vier Flüchtlinge aus dem Iran und Guinea schliefen dort abwechselnd. Sie hätten noch bis zum 6. September eine Genehmigung für diese Form des Protests gehabt. Doch sie wollen sich nun an dem Marsch nach Berlin beteiligen, um dort gegen die ihrer Meinung nach menschenunwürdige Situation von Flüchtlingen zu protestieren.

Zu Fuß nach Berlin

Von Würzburg würden einige Demonstranten zu Fuß in 30 Tagen in die Bundeshauptstadt ziehen, andere fahren mit einem Bus, der in mehreren Städten Station machen wird. Am übernächsten Wochenende soll dieser einen Zwischenstopp in Düsseldorf einlegen. Sollte die öffentlichkeitswirksame Aktion keinen spürbaren Erfolg zeigen, wollen die Düsseldorfer Aktivisten "noch entschlossener und noch motivierter" wiederkommen.

Arash Dosthossein und seine Mitstreiter, deren Antrag auf Asyl noch nicht genehmigt ist, würden für ihren Protest viel riskieren, sagt Simone Froschauer. Da in Bayern Residenzpflicht herrsche, könnten die Flüchtlinge festgenommen und ausgewiesen werden. "Sie setzen ihre gesamte Zukunft aufs Spiel", so die Stay-Aktivistin.

Von Katharina Bons

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