Süddeutsche Zeitung, 23.03.2011
Protest gegen Essenspakete
Flüchtlinge wollen Geld- statt Sachleistungen und bessere ärztliche Versorgung
Bundesweit haben am Dienstag zahlreiche Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen gegen das Asyl- und Ausländerrecht demonstriert. Die Proteste in mehr als 20 Städten richteten sich vor allem gegen das Asylbewerberleistungsgesetz, das die Unterstützung für Asylbewerber und geduldete Ausländer regelt. Das Gesetz mache die Migranten 'abhängig von Sachleistungen', verwehre ihnen eine ausreichende Behandlung durch Ärzte und zwinge sie 'mit Essenspaketen und Gutscheinsystemen zurechtzukommen', heißt es in einer Erklärung der Protestgruppen, unter ihnen die Flüchtlingsräte aus Bayern und Niedersachsen sowie die Grüne Jugend.
Bundesweit hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Proteste und Hungerstreiks von Flüchtlingen gegen die Versorgung mit Essenspaketen und die Unterbringung in oft abseits gelegenen Lagern gegeben. Die Bundesregierung prüft derzeit, inwieweit das Asylbewerberleistungsgesetz geändert werden muss. Im vergangenen Herbst hatte die Regierung eingeräumt, dass die Höhe der üblichen Unterstützung nach dem Gesetz 'auf der Grundlage von Kostenschätzungen' bestimmt worden sei. Diese Art der Festsetzung entspreche 'nicht den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts' zur Ermittlung der Hartz-IV-Sätze vom Februar 2010. Nach der Neuregelung der Hartz-IV-Sätze sollen nun auch die Leistungen für Asylbewerber neu bestimmt werden. Bislang erhalten Asylbewerber und viele geduldete Ausländer eine Unterstützung, die mehr als ein Drittel unter dem Hartz-IV-Regelsatz bei 225 Euro im Monat liegt. Viele Empfänger bekommen eine Unterkunft sowie Essenspakete und müssen mit einem Taschengeld von 40,90 Euro monatlich auskommen. Die Sätze sind seit Einführung des Gesetzes im Jahr 1993 nicht erhöht worden.
Der Interkulturelle Rat und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl erklärten, mehr als 80000 Menschen würden durch die Regelung 'an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt', 24000 Kinder wüchsen 'in gesetzlich vorgesehener Armut auf'.
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