Diakonisches Werk Bayern, 02.12.2010
Protest der Asylbewerber ernst nehmen
„Frau Haderthauer, mehr Taten und weniger Polemik!“ Diakonie verlangt Versachlichung im Streit um Essenspakete für Flüchtlinge
Mit scharfen Worten hat die Diakonie Bayern auf Aussagen von Bayern Sozialministerin Christine Haderthauer über den angeblichen „Mißbrauch des Gastrechtes“ durch Flüchtlinge reagiert. Der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, Dr. Ludwig Markert: „Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge, die in Bayern leben, mißbrauchen das deutsche Gastrecht nicht. Sie kommen vielmehr aus Krisenländern, in die sie nicht einfach zurückkehren können“. Haderthauer hatte in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse Flüchtlinge, die mit ihrer Situation in Deutschland nicht zufrieden sind, aufgefordert, in ihre Heimat zurückzukehren.
Die Behauptung Haderthauers, dass nur „0,6 Prozent der Antragsteller in Bayern tatsächlich Asylberechtigte“ seien und der Rest „das Gastrecht mißbraucht“, ist nach Markerts Auffassung eine Verdrehung von Tatsachen. „Frau Haderthauer ignoriert, dass über 25 Prozent der in Bayern lebenden Flüchtlinge einen rechtlichen Abschiebungsschutz genießen – und weitere aus guten Gründen nicht zurückkehren können, weil sie aus einem Krisengebiet kommen.“ Er forderte die Sozialministerin auf, zu einer differenzierten Darstellung zurückzukehren. „Wenn ein Flüchtling in Deutschland aus anderen Gründen als der Asylberechtigung einen Schutz vor Abschiebung geniesst, heißt das doch nicht, dass er das Gastrecht mißbraucht, wie Frau Haderthauer behauptet.“ Es gebe eine Vielzahl von Gründen, Menschen nicht in ihr Heimatland abzuschieben. Dazu gehören neben den rechtlichen Abschiebehindernissen wie Verfolgung oder Gefahr für Leib und Leben auch die instabilen politischen Verhältnisse in vielen Herkunftsländern.
Die Weigerung von etwa 400 Flüchtlingen, die Essenpakete anzunehmen, die sie in den jeweiligen Gemeinschaftsunterkünften erhalten, bezeichnete Markert als „menschlich nachvollziehbar“, auch wenn die Pakate nach ernährungswissenschaftlichen Kriterien zusammengestellt seien. Markert fordert die Staatsregierung auf, die Proteste der Flüchtlinge als Hinweis auf die Lage in den Gemeinschaftsunterkünften endlich ernst zu nehmen. „Die Situation in vielen Unterkünften ist nach wie vor untragbar, obwohl die Staatsregierung bereits im Sommer beschlossen hat, hier Verbesserungen vorzunehmen. „Und anders als behauptet, sind die Hürden für den Umzug in eine Privatunterkunft für die Flüchtlinge recht hoch.“ An die Adresse von Frau Haderthauer richtete Markert daher den Appell: „Weniger Polemik und dafür mehr Taten, Frau Ministerin.“