BR-online, 02.08.2011

Privatwohnung statt Sammellager

Leben im Flüchtlingslager

 

Die zum Teil desolate Wohnsituation von Asylbewerbern mit Kindern wird nun laut Staatsregierung besser. Das Kabinett verabschiedete den entsprechenden Gesetzesentwurf von Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU). Der Opposition und dem Bayerischen Flüchtlingsrat gehen die Neuregelung aber nicht weit genug.

Die vorgesehenen Verbesserungen, die bereits im Asylkompromiss der bayerischen Regierungskoalition von 2010 vereinbart worden waren, sehen vor, dass Familien und Alleinstehende mit Kindern aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen können, sobald das Asylverfahren beendet ist und wenn eine Abschiebung nicht möglich ist. Stattdessen sollen die Betroffenen in eine eigene Wohnung umziehen können.

 

Haderthauer: zunächst keine weiteren Lockerungen

Alle anderen Asylbewerber würden gemäß der Neuregelung prinzipiell erst vier Jahre nach Ende des Verfahrens die Gemeinschaftsunterkunft verlassen können. Ausgenommen sind Straftäter und Bewerber, deren Identität nicht geklärt ist. Laut Staatsregierung dauern Asylverfahren in Bayern in der Regel sechs Monate. Von den mehr als 18.000 Asylbewerbern im Freistaat lebt den Angaben zufolge etwa die Hälfte in den 118 Gemeinschaftsunterkünften. Haderthauer erwartet nicht, dass allzu viele ausziehen. Wer die Unterkünfte verlassen wolle, habe das bereits beantragt. Bis zur Landtagswahl 2013 gibt es laut Haderthauer keine weitere Lockerung mehr bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

 

Flüchtlingsrat: Nur wenige Bewerber profitieren

Genau das kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat. Aus seiner Sicht lässt der Asylkompromiss zu wünschen übrig. Familien mit Kindern dürfen demnach erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens nach zwei bis drei Jahren aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen; alle anderen erst nach sechs bis sieben Jahren, da sie zusätzliche vier Jahre warten müssten. "Wir halten diese Lösung nach wie vor für absolut unbefriedigend", sagte Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. "Bayern hätte alle Ermessensspielräume, die Lagerpflicht abzuschaffen", so Thal. Mit der Neuregelung rücke Bayern "vom letzten auf den vorletzten Platz" vor, nur in Baden-Württemberg sei die Unterbringung bislang noch strenger geregelt.

Zudem kritisiert der Flüchtlingsrat, dass von dem Kompromiss lediglich einige hundert Flüchtlinge im Freistaat profitieren würden. Etwa 7.000 Asylbewerber würden weiterhin durch die  "Lagerpflicht" in den Gemeinschaftsunterkünften "zermürbt". Und wer Vorstrafen habe - etwa drei Mal Schwarzfahren - oder wer zwei Mal gegen die sogenannte Residenzpflicht verstoßen habe, dürfe nicht aus dem Lager ausziehen. "Jahrelange Unterbringung in Mehrbettzimmern in alten Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und verrotteten Containerunterkünften, Gemeinschaftsküchen und -bäder, Polizeikontrollen zu allen Tages- und Nachtzeiten, Essens- und Hygienepakete, Arbeitsverbote" sind laut Flüchtlingsrat dazu da, um die Rückkehrbereitschaft der Betroffenen zu fördern.

 

SPD fordert Abschaffung der Unterkünfte

Die Landtags-Grünen kritisierten den beschlossenen Gesetzentwurf als unzureichend. Die Regelung bleibe hinter den Erwartungen zurück und betreffe nur sehr wenige Flüchtlinge, erklärte die asylpolitische Sprecherin Renate Ackermann.

Der SPD-Sozialexperte Hans-Ulrich Pfaffmann forderte die Staatsregierung auf, die Gemeinschaftsunterkünfte abzuschaffen und die Flüchtlinge "anständig zu betreuen". "Die CSU entlarvt sich damit als politischer Hardliner, bei dem sich die christliche Nächstenliebe auf das C im Namen beschränkt. Was heute beschlossen wurde, ist reine Kosmetik und Symbolpolitik", so Pfaffmann.

 

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