Süddeutsche Zeitung, 14.12.2005

Ohrfeige für die Behörden

Fall eines irakischen Flüchtlings wird zur Groteske

Süddeutsche Zeitung: "Der Fall des irakischen Flüchtlings, der monatelang am Münchner Flughafen im „Niemandsland" festgehalten wurde, wird immer grotesker - und immer peinlicher für die Gerichte, die Bundespolizei und das Berliner Innenministerium. In einem aktuellen Beschluss bezeichnet das Oberlandesgericht München das Festhalten von Burhan Karim Zangana von August bis Dezember als „rechtswidrig". Die Richter am 34. Zivilsenat schlössen sich der Meinung von Zanganas Anwalt Michael Sack an, wonach diese Art der Unterbringung eine „freiheitsentziehende Maßnahme" war, also Haft gleichkam. Für Haft aber ist ein richterlicher Beschluss nötig, und den gab es nicht in diesem Falle.

Die Formulierung der Richter ist eine schallende Ohrfeige für die Behörden und die Gerichte in erster und zweiter Instanz: „Die Freiheitsentziehung ohne richterliche Entscheidung ist (...) rechts- und verfassungswidrig." Auch dann, wenn der Flüchtling selbst schuld sei, weil er etwa nicht an der Beschaffung seiner Ausreise-Papiere mitwirke. Und, so die Richter: Rückwirkend könne man so eine Freiheitsentziehung auch nicht mehr genehmigen.

Anwalt Sack forderte das Bundesinnenministerium abermals auf, seinen Mandanten endlich einreisen zu lassen. Denn obwohl Zangana sich seit April auf deutschem Boden befindet, immer wieder zwischen Flughafen, JVA Stadelheim und diversen Gerichten hin- und hergebracht wurde, befindet er sich formal noch im Transitbereich. Die Frage der Einreise ist entscheidend: Würde Berlin und damit die Bundespolizei sie zulassen, gälte für Zangana wie für alle Iraker Abschiebeschutz wegen der desolaten Lage in der Heimat. Die Situation ist grotesk: Wäre Zangana irgendwann über den Zaun seiner Unterkunft geklettert oder während eines Gerichtstermins seinen Bewachern entwischt, wäre dies zwar illegal gewesen - aber er würde als eingereist gelten und wäre damit sicher vor Abschiebung.

Der aktuelle Spruch geißelt nicht zum ersten Mal den Umgang mit dem Iraker. Schon einmal hat das OLG Entscheidungen des Amtsgerichts Erding und des Landgerichts Landshut den „Makel der Rechtswidrigkeit" bescheinigt: Zangana war in Haft geschickt worden, ohne dass ihn sein Anwalt vor Gericht begleiten konnte. Er war nicht informiert.

Doch die Bundesregierung ist wenig beeindruckt, auch nicht von der jüngsten Entscheidung: Die habe „keine Auswirkungen" auf das weitere Vorgehen, so eine Sprecherin. Das heißt: Man will Zangana, der nun Papiere hat und wieder in Stadelheim sitzt, zurückschicken, sobald der Entführungsfall Osthoff gelöst wird. Noch befürchtet man diplomatische Verwicklungen und Gefahr für die Geisel.

Bernd Kastner

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