Abendzeitung, 19.07.2012

Menschenwürde ist keine Frage der Herkunft

Im Asyl-Urteil fordern die Verfassungsrichter mehr Geld für Flüchtlinge


Zehntausende Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland haben in Zukunft rund 100 Euro mehr im Monat zum Leben: Die bisherigen Sozialleistungen seien nicht mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum vereinbar, entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

„Die Höhe der Geldleistungen ist evident unzureichend“, erklärte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof. Und er machte klar: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Ein Punkt, den Flüchtlingsorganisationen seit Jahren monieren. Das Problem: Die bislang bezahlte Summe gilt unverändert seit 1993 - ungeachtet dessen, dass die Preise seither um 30 Prozent gestiegen sind. Erwachsene Asylbewerber bekommen bislang 224 Euro im Monat, davon 40 Euro in bar als Taschengeld. Hartz-IV-Empfänger erhalten hingegen 374 Euro pro Monat.

An dieses Niveau, das als Existenzminimum gilt, dürften nun auch die Zahlungen an die rund 130 000 betroffenen Asylbewerber angepasst werden. Im nächsten Schritt ist die Bundesregierung am Zug, sie kündigte eine rasche Umsetzung an. Solange jedoch noch nichts entschieden ist, haben die Verfassungsrichter eine Übergangsregelung vorgelegt: Monatlich sollen Erwachsene 336 Euro erhalten. Davon müssen 130 Euro in bar ausgezahlt werden. Mehr als drei Mal so viel wie aktuell. „Das ist eine gute Nachricht, denn die Menschen bekommen so die Chance, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, sagt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat Bayern. Vom Fahrticket bis zum Schulausflug. Und sie könnten selbstständiger über ihren Speiseplan entscheiden - denn in bayerischen Lagern gibt es Essenspakete und diese erfüllen nicht alle Bedürfnisse.

Für die meisten Flüchtlinge gilt die Übergangsregelung ab sofort. Nur wer im vergangenen Jahr Rechtsmittel gegen seine Bescheide eingelegt hatte, bekommt Nachzahlungen ab Januar 2011.             va

Quelle: Abendzeitung

Zurück