ZDF (ML Mona Lisa), 24.05.2009

Menschenwürde dritter Klasse?

Ein trostloser Blick in die Zukunft

Video Menschenwürde dritter Klasse >>>


Die Zahl der Flüchtlinge ist seit den 90er Jahren von 400.000 auf 22.000 im Vorjahr gesunken. Wer in Deutschland um politisches Asyl bittet, muss meist lange Zeit, manchmal über Jahre, auf eine Entscheidung der Behörden warten. In dieser Zeit leben die Flüchtlinge in oftmals menschenunwürdigen Unterkünften.

 

In der Erstaufnahmeeinrichtung Baierbrunnerstraße, München, landen neu angekommene Asylbewerber. Das Haus, ausgerichtet für 200 Personen, ist seit Jahren überbelegt. 30 Quadratmeter für zehn Männer. Wer unten schläft, hat Glück gehabt: Mithilfe einer Decke kann so ein winziges Stück Privatsphäre entstehen, die einzige im Haus.

 

Elisabeth Ramzews. Quelle: ZDF
Elisabeth Ramzews

Herzlich willkommen?

Sharifa wohnt zusammen mit vier Frauen und ihrer Tochter. Sie ist aus Afghanistan geflohen. Dass sie mit Männern auf so engem Raum zusammen wohnen muss, ängstigt sie: "Ich kann nachts nicht auf die Toilette gehen. Ich habe Angst, auf dem Flur sind Männer und oft sind sie betrunken." Sharifas Mann ist irgendwo in Afghanistan verschwunden. Sie hat große Angst um ihn. Wie Sharifa sind viele Frauen dort traumatisiert. Es fehlt ein geschützter Raum, in den sie sich zurück ziehen könnten. Für die Kinder gibt es keine Grünflächen, keinen Spielplatz. Elisabeth Ramzews von der Inneren Mission erklärt: "Für den Flüchtling entsteht der Eindruck, hier nicht willkommen zu sein - so im Stile: Wir wollen dich eigentlich hier nicht! So ist das Haus aufgebaut und so sind teilweise auch die Behördenrituale."

 

Sharifa mit den Frauen auf ihrem Zimmer. Quelle: ZDF
Sharifa teilt sich das Zimmer mit anderen Frauen.

Im Keller befinden sich die maroden Sanitäranlagen. Der Geruch zieht durch das ganze Haus. Obwohl zweimal täglich geputzt wird, wie die zuständige Behörde betont. Heinrich Schuster von der Regierung Oberbayern sagt: "Wenn da trotzdem noch Defizite sind, dann liegt es möglicherweise auch an den unterschiedlichen Personengruppen aus aller Welt, die hierher kommen und erst einmal an ein Leben in Mitteleuropa gewöhnt werden müssen."

 

Ein Bett neben dem voll gestellten Tisch. Quelle: ZDF
Ein Zimmer mit Bett

Zu wenig Platz

Im Anschluss an die Erstaufnahme werden die Flüchtlinge in Containern, Baracken oder Kasernen wie der im oberfränkischen Bayreuth untergebracht. Die syrische Kurdin Nissrin Ali hat ihre Ankunft nicht vergessen: "Da stand ich vor der Wilhelm-Busch-Straße und bin erschrocken. Meine Familie und ich wussten nicht, ob das ein Gefängnis oder das Asylheim ist." Seit sieben Jahren lebt Nissrin mit ihrer achtköpfigen Familie nun in dieser Unterkunft. Familie Ali ist geduldet. Das bedeutet auch, dass sie den Ort, an dem sie leben, nur mit einer Sondergenehmigung verlassen dürfen.

 

Nissrin. Quelle: ZDF
Nissrin wünscht sich mehr Privatsphäre.

Eine eigene Küche, ein bisschen Privatsphäre nach sieben langen Jahren, das ist Nissrins größter Traum. Doch eigene vier Wände sind für Flüchtlinge in Bayern nicht vorgesehen. Im entsprechenden Gesetz heißt es, die Art der Unterbringung "soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern." Die Bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer meint dazu: "Ich stehe ganz klar dazu, dass wir im Grundsatz bei den Gemeinschaftsunterkünften bleiben. Es muss aber Sinn und Zweck sein, dass wir die Dauer in den Unterkünften verkürzen."

 

Unhaltbare Zustände

Was in Bayern im Gesetz steht, scheint auch in anderen Bundesländern Strategie zu sein. Die Flüchtlingsunterkunft Harbke in Sachsen-Anhalt ist eine ehemalige NVA-Kaserne, fünf Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. Die Bosnierin Jasna Javorovac lebt dort seit acht Jahren mit ihrem Mann und ihren Kindern. In einem Schlafzimmer schlafen vier Personen und Jasna ist im siebten Monat schwanger: "Es ist wirklich kein Platz für eine fünfte Person, hier ist es einfach zu eng." Fernsehen und Videorecorder haben sie geschenkt bekommen, die Möbel haben sie sich beim Sperrmüll zusammen gesucht. Häufig ist Jasna verzweifelt: "Kopfschmerzen und Nervosität sind immer da. Manchmal habe ich auch keine Lust zu leben."

 

Jasna mit ihrer Familie im Schlafzimmer. Quelle: ZDF
Jasna hat zu wenig Platz mit ihrer Familie.

Und dann zeigt uns die 28-Jährige das Bad, das sich 30 Personen teilen. "Es sind fünf Kabinen, aber es funktioniert nur eine. Es ist alles verschimmelt", klagt Jasna. Erst auf Anfrage von Mona Lisa macht sich die zuständige Sozialamtsleiterin im Beisein des privaten Betreibers ein Bild von den Zuständen. Marlis Lüder vom Sozialamt Börde sagt: "Also ich muss sagen, das geht nicht, das ist richtig. Das muss in jedem Fall geändert werden. Da muss man sich in jedem Fall zusammen setzen. Hier kann keiner baden, das geht wirklich nicht."

Für Frauke Sonnenburg vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt sind etwaige Sanierungsarbeiten nur oberflächliche Kosmetik, für sie geht es um etwas ganz anderes: "Die Leute sollen sich nicht integrieren. Man schaut ganz genau, ob das nützliche Ausländer sind oder unnütze. Man selektiert, das finde ich fatal. Das hat mit Flüchtlingsschutz und Menschenrechten nichts mehr zu tun."

Zurück