Abendzeitung München, 15.05.2006

„Lieber tot, als dass ich das noch mal erlebe“

So musste die Familie Avdija Bayern verlassen – die Geschichte einer Abschiebung

Abendzeitung München: Der Vater verhaftet, die Mutter in die Psychiatrie gesperrt, die vier minderjährigen Kinder allein ins Heim gesteckt – was auf den ersten Blick aussieht, wie eine normale Abschiebungs-Geschichte aus Bayern, ist laut Bayerischem Flüchtlingsrat ein Skandal. „Die Behörden gingen mit äußerster Brutalität vor“, klagt Sprecher Stephan Dünnwald an – und machte den Fall der sechsköpfigen Familie Avdija öffentlich.

Aziz (37) und Eljheme (39) Avdija, ihre Töchter Zejnepe (16) und Lumturije (10) und die Söhne Florim (12) und Idriz (14) kommen aus dem Kosovo und zählen zur Ashkali Minderheit. In ihrer Heimat wird die Volksgruppe von nationalistisch gesinnten Albanern verfolgt, sowohl Aziz als auch die Kinder wurden in ihrem Dorf mehrmals brutal verprügelt, im Umkreis haben Albaner 2004 63 Ashkali-Häuser niedergebrannt.

Als es erneut zu heftigen Übergriffen von Albanern gegen Ashkali kommt, entschließen sich die Avdijas zur Flucht. Sie reisen über Slowenien nach Deutschland ein. Bei Stuttgart werden sie aufgegriffen und zur Asylantragstellung nach Zirndorf geschickt.

Doch der Antrag wird am 6. Juni 2005 abgelehnt, die Sechs sollen abgeschoben werden – zurück nach Slowenien. Vater Aziz wird ins Nürnberger Gefängnis gesperrt, Mutter Eljheme bricht unter Wahnvorstellungen zusammen, versucht, sich in der Asylunterkunft aus dem Fenster zu stürzen. Ein Arzt bringt sie in die Psychiatrie in Erlangen. Die Kinder bleiben allein zurück und werden in ein Nürnberger Heim gebracht.

Drei Wochen später, gegen vier Uhr früh, fahren Polizeibeamte den Vater, die schwerkranke Mutter und die Kinder in getrennten Fahrzeugen zum Münchner Flughafen. Die Mutter kollabiert, der Pilot weigert sich, sie mitzunehmen. Nach 16 Stunden wird Eljheme vor den Augen der weinenden Kinder in Ingolstadt ins Flugzeug geschleppt – die Familie fliegt nach Ljubljana.

Noch am Abend in Slowenien ist die Mutter nur mit dem bekleidet, womit man sie morgens abgeführt hat: mit ihrem Pyjama. Sohn Idriz (14) später: „Ich wäre lieber tot, als dass ich das noch mal erlebe.“

„Die Behörden lassen es in erschreckendem Maß an Menschlichkeit fehlen“, schreibt der Flüchtlingsrat in der Dokumentation „Hinterland“, „wir fürchten, dass Aktionen wie diese fast zum Regelfall geworden sind“.

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