Neue Presse Coburg, 05.11.2010
Leben zwischen Kakerlaken
Abgesandte des Bayerischen Flüchtlingsrates besichtigen das Coburger Asylbewerberheim in der Uferstraße und stellen fest: "Die Zustände sind erschreckend."
Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat kann es kaum fassen: "Das schlägt dem Fass den Boden aus, wie hier die Leute untergebracht sind", schimpft er und zeigt Coburger SPD- und FDP-Stadträten, wo es an dem Asylbewerberheim in der Uferstraße besonders intensiven Reparaturbedarf gibt. Manche Flüchtlinge wohnen schon bis zu 14 Jahren in dem Haus, das einer alten Kaserne ähnelt, die dringend renovierungsbedürftig ist. Risse ziehen sich durch die Wände, Löcher prangen unter Spülbecken, Wasser sickert durch das Dach und es stinkt. "Ich hätte Schiss, dass die Bude einkracht, außerdem wimmelt es hier vor Kakerlaken", beschreibt er die Zustände. "Eine Unterbringung dieser Art macht krank", betont er, dass dringend Handlungsbedarf angebracht sei. 50 bis 60 Menschen wohnen momentan in dem alten Gebäude, das der Firma Ros gehört und von der Regierung Oberfranken gemietet ist. Jede Familie hat ihr ganz eigenes Schicksal. Die Probleme drehen sich um Pass, Arbeitserlaubnis, Aufenthaltsgenehmigung, Essenspakete, Arzneimittel und vieles mehr. Hier kann der Landtag helfen, glaubt Thal und macht sich mit dem Flüchtlingsrat für dafür stark, den Menschen würdigere Lebensumstände zu ermöglichen. Dazu gehört auch eine Verbesserung der Wohnsituation: "Man kann entweder Millionen in die Renovierung stecken oder die Lagerpflicht aufheben und die Menschen in Wohnungen leben lassen."
Hierzu müsste der Stadtrat die Wichtigkeit beschließen und sich mit dem Anliegen an die Regierung wenden, erklärt Thal. Die Stadträte Martin Lücke (SPD) und Dr. Hans-Heinrich Eidt (FDP) wollen sich derweil bei einem Gespräch mit Coburgs zweitem Bürgermeister und Sozialreferenten Norbert Tessmer dafür einsetzen, dass die Gebäudeproblematik gelöst wird. Es soll geklärt werden, was die Stadt bereits in dieser Sache unternimmt und was noch zu tun ist. "Das Ding sollte schnellstmöglich geschlossen werden", meint Thal. Auch Eidt schließt sich an und kommentiert: "Sprengen." Etwas zu tun, sei eine freiwillige Leistung der Stadt, so Eidt. Die Renovierung der Fassade obliege der Firma Ros, für den Innenbereich sei die Regierung zuständig. Eidt könne sich auch Hilfe zur Selbsthilfe vorstellen.
Wegziehen ist für die Bewohner nicht möglich, manche von ihnen dürfen aufgrund der aktuellen Gesetzeslage weder Stadt noch Landkreis verlassen. "Ich möchte gerne einmal leben wie ein normaler Mensch", wünscht sich einer der Flüchtlinge. Ein anderer ist fest davon überzeugt: "Alle zusammen können wir helfen, etwas zu ändern." hök
Quelle: Neue Presse Coburg