Nürnberger Nachrichten, 28.01.2010

Lagerpflicht "wie in Unrechtsregimen"

Flüchtlingsrat prangert erfolglos Bayerns Ausländerpolitik an

MÜNCHEN - Nach monatelangen Diskussionen innerhalb der CSU-FDP-Staatsregierung ist es nicht gelungen, eine von den Liberalen angestrebte Lockerung der Aufenthaltsbeschränkungen von Asylbewerbern durchzusetzen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat in dieser Woche eine Protestbrief-Aktion gestartet, die von einem knappen Dutzend Organisationen unterstützt wird. Die Schreiben richteten sich an alle Landtagsabgeordneten der CSU und der FDP. Darin wird die Forderung erhoben, die «Lagerpflicht« für Asylbewerber und Flüchtlinge ganz abzuschaffen und ihnen das Recht einzuräumen, in eine Wohnung zu ziehen.

"Katastrophale Zustände"

Die Initiatoren des Offenen Briefes begründen dies mit den angeblich «katastrophalen Zuständen« in den 117 bayerischen «Flüchtlingslagern«, die im Behördendeutsch Gemeinschaftsunterkünfte heißen. Die Folge seien häufig psychische und körperliche Erkrankungen der Betroffenen. Der Flüchtlingsrat verweist aber auch auf ein eigenes Gutachten, wonach der Freistaat bei einer Unterbringung in Wohnungen jährlich mindestens 13,6 Millionen Euro sparen könnte.

Die umstrittene, angeblich europaweit einmalige Residenzpflicht und Wohnsitzauflage ist nach Angaben von Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat der «Kern des Problems«, weil die Betroffenen auch durch die oft abgeschiedene Lage der Unterkünfte von Arbeitsplätzen, sozialen Netzwerken und Bildungsangeboten abgeschnitten seien. Klaus: «So etwas kennt man sonst nur von Apartheits- und Unrechtsregimen.«

"Auf Bundesebene einsetzen"

Die Liberalen im Landtag sind weit davon entfernt, sich die Forderungen des Flüchtlingsrates zu eigen zu machen. Sie legten gestern im Maximilianeum einen Dringlichkeitsantrag vor: Die Staatsregierung möge sich «auf Bundesebene dafür einsetzen, dass im Asylrecht die Residenzpflicht so ausgestaltet wird, dass eine hinreichende Mobilität möglich ist, wobei Wohnsitzbeschränkungen unberührt bleiben sollen«. Gegen den unverbindlichen Landtags-Appell stimmte gestern nur die SPD, der dieser FDP-Vorstoß nicht weit genug ging.

"Strenge Einzelfallprüfung"

Die CSU-Landtagsfraktion hält an ihrer «seit Jahrzehnten bewährten« Ausländerpolitik fest, wie es in einem unveröffentlichten Positionspapier des CSU-Fraktionsvorstandes heißt (er liegt der Redaktion vor). Demnach müssten Personen im Asylverfahren weiter in Gemeinschaftsunterkünften leben. Ausnahmen solle es künftig nur «nach strenger Einzelfallprüfung« geben, etwa für Behinderte, Kranke oder Traumatisierte.

Laut CSU sollen Familien mit Kindern und Einzelne nach dem Ende des ersten Asylverfahrens sowie abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber erst nach mehrjährigem Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften ausziehen dürfen. Die Lockerung der reinen «Reisebestimmungen« soll laut CSU-Positionspapier jeweils an eine Zustimmung der Ausländerbehörde gebunden bleiben.

Wolf-Dietrich Nahr

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