Fürther Nachrichten, 21.04.2009

Krankheit setzt Asylbewerbern zu

Flüchtlingsrat beanstandet Unterbringung in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung

Zu klein und viel zu kurz geöffnet ist nach Ansicht des Flüchtlingsrates die Zirndorfer Kantine.     Foto: Joachim Sobczyk
Immer mehr Asylbewerber suchen schwerkrank Zuflucht in Deutschland. Weil sie durch das Raster unseres Gesundheitssystems fallen, sind sie auf ehrenamtliche Helfer und Spenden angewiesen.

Eine neue Problematik, auf die man in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf im vergangenen September mit der Schaffung einer ehrenamtlichen Gesundheitsberatung reagiert hat. Einem Asylbewerber, der wegen einer Schussverletzung kaum noch gehen konnte, wurden mit Hilfe von Spenden orthopädische Schuhe verschafft, Schwerhörige erhalten ebenso unbürokratisch Hörgeräte.

Die Gesundheitsberatung gehört neben einem Kindergarten, einem Café und einer ersten Anlaufstelle für grundsätzliche Fragen zum 1997 eingerichteten Sozialzentrum. Betreut wird es von den Rummelsberger Diensten für junge Menschen. Deren Leiterin, Amely Weiß, berichtet: «Viele Asylbewerber brauchen dringend Pflege und Hilfsmittel wie Rollstühle.» Um diesen Bedarf zu decken, muss improvisiert werden.

Sowohl der Sozialdienst als auch das Personal der Aufnahmeeinrichtung ist angesichts der Problemlage voll ausgelastet. Ein Umstand, den Mitglieder des Bayerischen Flüchtlingsrates bei ihrem gestrigen Besuch in Zirndorf beklagten. Die Hilfsorganisation tourt zu einer Bestandsaufnahme der Flüchtlingssituation eine Woche lang durch Bayern. Am Donnerstag sollen die Erkenntnisse bei einer Expertenanhörung im Landtag zur Sprache kommen.

350 Menschen, 30 Nationen

Immerhin ist in Zirndorf die Zeit der Überbelegung vorbei, als bis zu 1000 Menschen teils in Zelten beherbergt wurden. Heute leben etwa 350 Menschen aus rund 30 Nationen in der ehemaligen Kaserne. Für diese Entspannung macht Werner Staritz, Leiter der Zirndorfer Aufnahmeeinrichtung, das verkürzte Asylverfahren und die Schaffung zusätzlicher Unterkünfte verantwortlich. Allerdings seien die Probleme der Asylbewerber größer geworden.

Standen früher wirtschaftliche Gründe im Vordergrund, hat es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inzwischen mit gewichtigeren Fluchtursachen zu tun. Auch ist die Zahl der Asylbewerber aus der Ex-Sowjetunion stark zurückgegangen. Die größte Gruppe stellen in Zirndorf derzeit die rund 180 Iraker. Dass diese Kriegsflüchtlinge nur vorübergehend geduldet werden, kritisiert Flüchtlingsrat-Sprecher Tobias Klaus.

Sein Kollege Stefan Klingbeil attestiert der Zirndorfer Aufnahmeeinrichtung zwar bessere Verhältnisse als der zweiten bayerischen Einrichtung in München, sieht aber dennoch großen Verbesserungsbedarf. Die Unterbringung von 100 Männern in Sechsbettzimmern eines Gebäudes mit nur einem Duschraum, unzureichender Warmwasseraufbereitung und einer erst am Nachmittag zur Verfügung stehenden Küche (mit seit Wochen defekten Herdplatten) sei inakzeptabel.

Sozialkontakte könnten sich unter solchen Bedingungen nur schwer entwickeln. Kein Wunder, dass auch die psychischen Erkrankungen bei Asylbewerbern zunehmen. Handlungsbedarf sehen Klingbeil und Klaus bei der Erstberatung der Flüchtlinge. Schwierig gestaltet sich nach den Worten der Sozialzentrumsleiterin oftmals die Familienzusammenführung über Ländergrenzen hinweg.

Der Flüchtlingsrat macht sich für die Unterbringung der Asylbewerber in vom Staat angemieteten Privatwohnungen als billigere Alternative zur Kasernierung und für Arbeitserlaubnisse stark. Die bisherige Praxis dient, so Klaus, nur der psychischen Zermürbung zur Förderung der Rückkehrbereitschaft. Auch Asylbewerbern sollte jedoch zugestanden werden, ihr Leben selbst zu gestalten.

Volker Dittmar

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