Junge Welt, 25.09.09, 25.09.2009

“Korrekt verhalten”

Schimmel, Muff und Moder: Bayerischer Flüchtlingsrat klagt gegen Zustände in Asylunterkunft. Landesregierung findet sie gesetzeskonform

Das Bad müssen sich drei Familien teilen, genauso wie die Küche, in die ebenfalls Wasser dringt. Auch das Zimmer eines weiteren Heimbewohners hat ein Leck, darüber befindet sich die Toilette.
Patrick B. haust seit vier Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft, er klagt über Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Atembeschwerden. Sein wiederholtes Nachsuchen bei der Heimleitung, ein anderes Quartier beziehen zu dürfen, beschied ein Verantwortlicher mit den Worten: “Gib endlich Ruh, sonst schick I di’ in den Dschungel z’ruck”. So jedenfalls hat der gescheiterte Asylbewerber die Vorgänge gegenüber dem Bayerischen Flüchtlingsrat geschildert, an den er sich in seiner Not vor einer Woche wandte.
Die Organisation schickte daraufhin den Journalisten Stefan Aigner zur Ortsbesichtigung nach Aholfing. Das dabei gewonnene Bildmaterial bestätigt die erhobenen Vorwürfe. Die Fotos hat Aigner auf seiner Webseite regensburg-digital.de mitsamt einem persönlichen Erfahrungsbericht veröffentlicht. Darin heißt es: “Nach einer Stunde im Zimmer von Patrick B. bekomme ich Kopfschmerzen.” Am Mittwoch hat der Flüchtlingsrat Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen die Regierung Niederbayern gestellt. Die dort für Flüchtlingsangelegenheiten zuständige Abteilungsleiterin Elisabeth Freitag hatte in der Vorwoche noch zugesichert, sich persönlich um den Fall zu kümmern. Zur Entschuldigung der Zustände verwies sie auf eine monatelange Krankheit des Hausmeisters und versprach zeitnahe Abhilfe und eine Umverlegung des Flüchtlings.
Inzwischen ist die Sprachreglung jedoch eine ganz andere: “Die Sache ist so sicher nicht passiert, wie sie berichtet wurde”, erklärte am Donnerstag Regierungssprecher Michael Bragula gegenüber junge Welt. Auf die Nachfrage, ob er die Beschreibung der Zustände im Heim in Abrede stelle, entgegnete er: “Die Regierung hat sich korrekt verhalten”, im übrigen “wollen wir uns nicht auf eine inhaltliche Diskussion einlassen”. Alles weitere müsse jetzt die Justiz klären.
Stefan Klingbeil, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat, überrascht dieser Sinneswandel nicht. “Die verdrehen die Geschichte so, daß am Ende Aussage gegen Aussage steht”, äußerte er sich im jW-Gespräch. Die Heimleitung würde sogar so weit gehen zu behaupten, Patrick B. hätte mehrere Angebote für einen Quartierwechsel ausgeschlagen. “Das ist die übliche Strategie in solchen Fällen. Die streiten alles ab und vertuschen alles. Das macht es vor Gericht natürlich schwer, dagegen vorzugehen”, so Klingbeil.
Dabei sind die Zustände im Asylheim Aholfing exemplarisch für den menschenunwürdigen Umgang mit Flüchtlingen im ganzen sogenannten Freistaat. Mit 118 Standorten verfügt Bayern über das laut Flüchtlingsrat “rigideste und am weitesten ausgebaute Lagersystem aller Bundesländer”. Weit über 7000 Menschen lebten “jahrelang in Mehrbettzimmern in alten Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und verrotteten Containerunterkünften”.
Für Klingbeil haben derlei Zustände System: “Die wollen die Leute zur Ausreise bewegen, und das steht sogar so im Gesetz.” Tatsche: In einem Halbsatz der bayerischen Asyldurchführungsverordnung heißt es über die Unterbringung in Asylunterkünften, sie sollten “die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern”.

Von Ralf Wurzbacher, Junge Welt

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