Neues Deutschland, 04.12.2010

Konfliktstoff für Koalition


In der bayerischen Regierung löst die Protestwelle der Flüchtlinge Konflikte aus. Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) verurteilt den Boykott, die FDP hingegen zeigt Verständnis.

Mit dem Boykott von Essenspaketen und teilweise mit Hungerstreiks wollen die Asylbewerber auf die schlechten Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern aufmerksam machen. Sie fordern die Abschaffung der Residenzpflicht, eine bessere medizinische Versorgung sowie das Recht, arbeiten zu dürfen. Außerdem wollen sie statt der Essenspakete Geld zum Kauf von Nahrung.

Sozialministerin Haderthauer sieht keinen »objektiven Grund« für den Protest. »Wer mit den Leistungen in Deutschland nicht zufrieden ist, kann jederzeit zurück«, sagte sie in einem Interview. Die FDP-Sozialexpertin Brigitte Meyer bezeichnete die Aussage als zynisch. »Eine solche Einstellung passt nicht zu unserem christlichen Menschenbild, das für uns gerade bei den Schwächsten der Schwachen gelten sollte.« Die FDP könne die Forderung, Geldleistungen anstatt Essenspaketen zu erhalten, sehr gut nachvollziehen.

Die Kritik an maroden Unterkünften wies Haderthauer zurück. »Es gibt sehr gute Unterkünfte und welche, die noch ein bisschen Nachholbedarf haben.« Zudem warf sie dem Großteil der Flüchtlinge vor, das Gastrecht in Bayern zu missbrauchen. Nur 0,6 Prozent der Antragsteller seien tatsächlich Asylberechtigte. Am Ende blieben knapp 26 Prozent in Deutschland, weil ihnen aus unterschiedlichen humanitären Gründen Schutz gewährt werde. Der Bayerische Flüchtlingsrat widersprach diesen Zahlen. Nach seinen Angaben seien 34 Prozent der Flüchtlinge asylberechtigt, insgesamt erhielten geschätzte 70 Prozent eine Aufenthaltserlaubnis.

Der Präsident des Diakonischen Werkes, Ludwig Markert, forderte, die Proteste ernst zu nehmen. »Die Situation in vielen Unterkünften ist nach wie vor untragbar, obwohl die Staatsregierung bereits im Sommer beschlossen hat, hier Verbesserungen vorzunehmen.« Auch der Bayerische Flüchtlingsrat und die Grünen verlangten, die überfällige Gesetzesfassung endlich zu liefern und die getroffenen Beschlüsse umzusetzen.

Quelle: Neues Deutschland

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