Neue Presse Coburg, 30.06.2011

Kirchenasyl vereitelt Abschiebung

Coburg - Das erste Kirchenasyl, das in der über 150-jährigen Geschichte von St. Augustin gewährt wurde, war eine Blitzaktion. Und es war ein Beweis der schnellen und unbürokratischen Hilfsbereitschaft der katholischen Gemeinde in Coburg, als es für Familie Ghareb aus dem Irak womöglich um Leben und Tod ging: 24 Stunden, nachdem bekannt geworden wr, dass eine Abschiebung der chaldäischen Christen nach Schweden und damit die Rückführung in ihre Heimatstadt Bagdad unmittelbar bevorstand, hatten Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung in einer eilig einberufenen Sondersitzung einstimmig beschlossen, Ivan und Zina Ghareb mit ihrer Tochter Sandra Kirchenasyl zu gewähren. Daraufhin richtete eine zehnköpfige Gruppe ehrenamtlicher Helfer unter der Führung von Professor Dr. Hans-Karl Kaufner innerhalb von vier Stunden im alten Schwesternheim eine Dreizimmer-Wohnung ein.

 

Ivan Ghareb hat grausame Bilder und Filme im Internet gesammelt. Sie zeigen die Kirche seiner Gemeinde nach einem blutigen Anschlag mit einer Autobombe kurz nach einem Gottesdienst. Die Christen im Irak würden sich nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 wieder nach Sicherheit und Freiheit sehnen, sagt Ghareb: "Bis dahin waren wir ein Volk, es gab keine Christenverfolgung. Nun wollen uns radikale Islamisten vertreiben." Die Angst der Gharebs vor einer Rückführung nach Bagdad war nach einer vierjährigen Odyssee, die sie über Syrien, die Türkei, Griechenland und Schweden nach Coburg führte, panisch: "Ich bin der Gemeinde St. Augustin, Herrn Kaufner, Herrn Dekan Raimund Reinwald und unserer Dolmetscherin Ragida Deeb für ihre Hilfe unendlich dankbar", so Ivan Ghareb. Die deutschen Behörden wollten die Iraker nach Schweden ausweisen, wo ihr Asylgesuch bereits abgelehnt worden war. Jetzt, nachdem eine sechsmonatige Frist abgelaufen ist, muss in Deutschland ein neues Verfahren eröffnet werden: Hierzulande werden irakische Christen normalerweise als Flüchtlinge anerkannt.

Die Erlösung von der Ungewissheit ihres Schicksals ist der Familie ins Gesicht geschrieben: Vater und Mutter können wieder lächeln, die vierjährige Sandra wirkt unbeschwert. Ihre Eltern durften das Schwesternwohnheim auf dem Gelände von St. Augustin über zwei Monate nicht verlassen; auf der Straße hätten sie sofort aufgegriffen werden können. Sandra wurde von ihren Kindergärtnerinnen unter der Woche abgeholt und wieder gebracht: "Ein toller Einsatz der evangelischen Kirchengemeinde Coburg-Johanneskirche", lobt Kaufner, der neben Ragida Deeb, so Dekan Reinwald, selbst überaus viel dafür getan hat, der Familie den Aufenthalt im ehemaligen Schwesternheim so erträglich wie möglich zu machen. Da Zina Ghareb schwanger ist, half er einen "geheimen" Besuch beim Gynäkologen zu organisieren. Jetzt dürfen sich die Gharebs wieder frei bewegen und in der Stadt ihre neu erworbenen Deutschkenntnisse austesten: Auch zwei Lehrerinnen hatten die Helfer von St. Augustin organisiert.

 

Nach einer Anhörung im August in der zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf wird frühestens im Herbst dieses Jahres mit dem endgültigen Asylbescheid für die Familie Ghareb gerechnet, die mittlerweile in die Kirchengemeinde St. Augustin integriert ist. Ivan Ghareb würde dann gerne als Pizzabäcker arbeiten: "Wir möchten in Coburg bleiben."

 

Quelle: Neue Presse Coburg

Zurück