Süddeutsche Zeitung, 19.03.2013

Junge Asylbewerber: Staatlich gewollte Kasernierung

Kommentar


Ihre Eltern sind weit weg, möglicherweise gar nicht mehr am Leben. Die Jugendlichen, die vor allem aus Afghanistan und Somalia nach München kommen, haben oft furchtbare Kriegserlebnisse hinter sich, haben Gewalt erlitten und sind unter lebensbedrohenden Umständen geflüchtet. Der Staat steckt die jungen Asylbewerber, die kein Wort Deutsch sprechen, erstmal in eine seiner Aufnahmeeinrichtungen, die tatsächlich Abschreckungseinrichtungen sind: Kasernierung hinter Stacheldraht, ein Sicherheitsdienst, der durch rassistische Äußerungen von sich reden macht - alles scheint darauf angelegt zu sein, nur möglichst unangenehme Erinnerungen zu wecken.

Es bedarf keines Studiums der Sozialpädagogik, um zu erkennen, dass eine solche Umgebung alles andere als der richtige Platz für psychisch hoch belastete Jugendliche ist, die häufig traumatisiert sind von Kriegs- und Fluchterlebnissen. Das enge Zusammenleben unter schwierigsten Bedingungen schafft zusätzlichen Stress, obwohl eigentlich ein stabiles soziales Umfeld nötig wäre, um das Erlebte aufzuarbeiten.

So gab es Hungerstreiks, Suizidversuche und zuletzt eben die wüste Schlägerei. Nun hat der Freistaat wieder ein bisschen mehr soziale Betreuung zugestanden, doch die Lebensverhältnisse in der Jugendkaserne kann das nicht zum Besseren wenden. Die Jugendlichen sollen da ja nicht lange bleiben, heißt es beschwichtigend.

Ein solches Lagerleben dürfte das Jugendamt niemals akzeptieren, nicht für Jugendliche, die hier aufgewachsen sind und nicht bei den Eltern leben können, aber auch nicht für junge Flüchtlinge. Doch weil das Amt kaum hinterherkommt, Plätze für jene zu schaffen und zu finden, die aus der Bayernkaserne ausziehen dürfen, hält es still. Auf diese Weise aber macht es sich mitschuldig an der staatlich gewollten Kasernierung.

Sven Loerzer

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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