Straubinger Tagblatt, 27.02.2010
Jetzt streiken die Flüchtlinge auch in Bogen
Annahme von Essenspaketen verweigert - Flüchtlingsrat kritisiert Ausländerbehörde
Der Protest von niederbayerischen Asylbewerbern weitet sich aus. Vor einem Monat waren die Asylbewerber im Landkreis Passau in den Hungerstreik getreten. Nun boykottieren die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Bogen die Annahme von Essenspaketen.
Jetzt wird auch in Bogen gestreikt. Wie der bayerische Flüchtlingsrat am Donnerstag mitteilte, nehmen Flüchtlinge, die in Bogen untergebracht sind, seit Dienstag keine Essenspakete mehr an. Sie wollen sich damit mit den Flüchtlingen in den Lagern Hauzenberg und Breitenberg (beide Landkreis Passau) solidarisieren, die im Januar mit einem Hungerstreik begonnen hatten, um für bessere Lebensbedingungen in den Unterkünften zu kämpfen.
Zweimal pro Woche bekommen die Flüchtlinge Essenspakete. Zuvor dürfen sie aus einer Liste mit 87 Positionen auswählen, was sie haben wollen. Die Liste umfasst beispielsweise Gewürze wie Curry oder Kurkuma, Obst und Gemüse wie Apfel, Kiwi, Zwiebeln oder Lauch, Getränke - zur Auswahl stehen Wasser, Orangen- und Apfelsaft sowie Tee und Kaffee -, Fleisch- und Wurstwaren und einiges andere mehr. Am Dienstag dieser Woche verweigerten die 27 Bewohner in Bogen die Annahme dieser Pakete. Zunächst hieß es offiziell, nur 14 Bewohner würden sich an der Aktion beteiligen, doch wurden Zeugen zufolge alle Pakete zurückgewiesen.
Unter anderem wollen die Flüchtlinge anstelle der Essenspakete, die von den Ausländerbehörden zur Verfügung gestellt werden, Bargeld, um sich selber mit den notwendigen Lebensmitteln versorgen zu können. Dazu möchten sie eine Lockerung der Aufenthaltserlaubnis, wie es in anderen Bundesländern üblich ist, sodass sie sich nicht nur im Landkreis Straubing-Bogen bewegen dürfen.
"Sehr ruppig"
"Der Landkreis Straubing-Bogen ist dafür bekannt, dass die Ausländerbehörde besonders restriktiv im Umgang mit Flüchtlingen ist", sagt Alexander Thal, Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrats mit Sitz in München. So würden hier kaum Ausweitungen des Aktionsradius' genehmigt, selbst wenn dies rechtlich in bestimmten Fällen möglich wäre. Darüber hinaus würden manche Situationen "sehr ruppig gehandhabt". Das zweite Heim im Landkreis in Obermotzing sei beispielsweise erst nach einer Anzeige und dem Einschalten der Presse in bewohnbaren Zustand versetzt worden. Hans-Georg Eberl von der Flüchtlingsorganisation "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten" ergänzt: "Auch der Ton gegenüber den Flüchtlingen ist bei Verantwortlichen nicht immer angemessen."
"Ans Gesetz gebunden"
"Die Vorwürfe müssen sich an den Freistaat richten und weniger an die Ausländerbehörde als vollziehende Behörde", weist man im Landratsamt die Klagen über das Vorgehen in Sachen Flüchtlinge zurück. "Wir sind ans Gesetz gebunden, was Eingriffe oder Genehmigungen anbelangt", sagt Sprecher Markus Mühlbauer.
In Bogen sind zurzeit 27 Menschen aus aller Herren Länder untergebracht. Die Flüchtlinge kommen aus Usbekistan, Sierra Leone, Nigeria, Somalia, aus dem Irak, der Türkei und aus Afghanistan. Die meisten davon haben noch ein Asylverfahren laufen. Noch einmal 20 Menschen aus fremden Ländern wohnen im Asylbewerberheim in Obermotzing. Die Flüchtlinge dort unterstützen die Sache der Bogener.
Simon Limba (Name von der Redaktion geändert) betont, wie wichtig es für alle Flüchtlinge wäre, die Verbesserungen durchzusetzen. "Wir wollen arbeiten dürfen. Und uns unser Essen selber kaufen", nennt er nur zwei Punkte. In Obermotzing lebten viele Frauen und auch Kinder, da sei es schwieriger, die Annahme der Essenspakete zu verweigern. Doch gerade deshalb stehen die Obermotzinger Flüchtlinge in engem Kontakt mit denen in Bogen.
Unterstützt werden die Flüchtlinge unterdessen auch von den Grünen im Landkreis. Vorsitzender Daniel Zwickl sagt, er habe sich die Lager im Landkreis mehrmals zusammen mit Parteikollegen angeschaut - und für katastrophal befunden. Die Unterbringung und Beschränkungen der Flüchtlinge seien eine Zumutung, die den Grünen schon lange ein Dorn im Auge seien.
Essen: Qualität mangelhaft
Karawane-Mann Eberl konkretisiert in Sachen Verpflegung: "Das Problem ist ja nicht nur, dass die Menschen sich ihr Essen nicht selber aussuchen dürfen, weil die Liste jahrein, jahraus die gleiche ist. Auch die Qualität der Nahrungsmittel ist mangelhaft." Geliefert werden die Essensrationen für Flüchtlingsheime von einer Firma aus Baden-Württemberg. Die hat Lieferverträge in mehrere Bundesländer und steht schon seit Längerem in der Kritik der Flüchtlingsorganisationen. "Rechnen Sie sich einmal aus, wie viel Sie für 100 Euro im Monat bekommen.", sagt Thal. So viel kostet den Freistaat im Schnitt die Paketelieferung für eine Person pro Monat. Die Begründung vom bayerischen Flüchtlingsrat für seinen Vorwurf: Die Ware könne kaum hochwertig sein, wenn der Lieferant von den 100 Euro auch noch die ganze Logistik bezahlen muss.
Vorerst wollten die Bogener Flüchtlinge die Essenspakete eine Woche lang zurückgehen lassen. "Dann schauen wir weiter", sagt Limba.
Vor ein paar Jahren hatten Flüchtlinge mit ähnlichen Aktionen übrigens Erfolg. Damals wurden ihnen in Bayern die Essenspakete ohne vorherige Absprache zur Verfügung gestellt. Nach dem Boykott wurden die Listen eingeführt.
Die Forderungen der Flüchtlinge und Flüchtlingsorganisationen:
Automatisches Recht zu arbeiten nach einem Jahr im Asylverfahren. Freie Bewegung in ganz Bayern, so wie in einigen anderen Städten und Bundesländern. Bargeld anstelle von Essenspaketen.