epd, 30.01.2012

Iraner stirbt in Würzburger Asylbewerber-Unterkunft

Mediziner: "Die Gemeinschaftsunterkünfte in Bayern machen krank"

 

Ein 29-jähriger Asylbewerber aus dem Iran hat sich in der Nacht zum Sonntag in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft das Leben genommen. Er habe sich in seinem Zimmer eingeschlossen und erhängt, wie die "Internationale Föderation Iranischer Flüchtlinge" mitteilte. Die Regierung von Unterfranken bestätigte den Todesfall auf epd-Anfrage. Man gehe von einem Suizid aus. Weitere Angaben wollte ein Sprecher wegen der laufenden Ermittlungen nicht machen.

Nach Angaben der "Internationalen Föderation Iranischer Flüchtlinge" hatten Mitbewohner den Sicherheitsdienst darüber informiert, dass sich der Mann in Selbstmordabsicht in seinem Zimmer eingeschlossen habe. Die Mitarbeiter hätten vergeblich versucht, in das Zimmer des Mannes zu gelangen. Auch die Polizei konnte die schwere Eisentür nicht öffnen. Dies sei erst der herbeigerufenen Feuerwehr gelungen, doch zu diesem Zeitpunkt sei der Mann bereits tot gewesen.

Regierungssprecher Johannes Hardenacke bestätigte den Ablauf der Rettungsversuche am Montag auf epd-Anfrage. Er betonte, "dass nach bisherigem Kenntnisstand keinerlei Zusammenhang zwischen dem Suizid und Art und Weise der Unterbringung besteht". Die Organisation hatte behauptet, Grund für den Selbstmord sei die "menschenunwürdige Situation" in der Gemeinschaftsunterkunft gewesen. Laut Hardenacke habe es ähnliche Vorfälle in Würzburg seit Jahren nicht gegeben.

Der Würzburger Arzt August Stich, der sich mit seinem Team von der Missionsärztlichen Klinik um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft kümmert, sagte, die psychisch labile Konstitution des Mannes sei seit Monaten bekannt gewesen. Bereits im Dezember habe er Selbstmordabsichten geäußert und sei deshalb in der Würzburger Uniklinik für Psychiatrie begutachtet worden. Man habe empfohlen, "an der Art der Unterbringung etwas zu verändern".

"Mit dieser Empfehlung ist allerdings niemand an die Regierung oder an die Verwalter der Gemeinschaftsunterkunft herangetreten", erläuterte Hardenacke. Vom Medizinischen Dienst lägen für den 29-Jährigen "keine Atteste" vor. Laut Stich sei die psychisch desolate Situation des Mannes der Verwaltung "selbstverständlich bekannt" gewesen, aus eben diesem Grund habe man ihm ja auch gestattet, seine Schwester zu besuchen und das Bundesland Bayern zu verlassen, erklärte der Mediziner.

Für Stich ist der Tod "kein Einzelfall", etliche der Bewohner seien von Folter traumatisiert und müssten nun trotzdem in ehemaligen Kasernen leben. "Die Gemeinschaftsunterkünfte machen krank", sagte er. Kein Bundesland gehe so schlecht mit Flüchtlingen um wie Bayern. Für ihn und seine Mitarbeiter gehe es nun darum, die vielen anderen psychisch angeschlagenen Menschen in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft vor Nachahmungstaten abzuhalten: "Suizid ist keine Lösung."

Eine Sprecherin des bayerischen Sozialministeriums wies die Vorwürfe auf epd-Anfrage zurück. Bereits jetzt lebten im Freistaat "etwa 50 Prozent" der Asylbewerber und Asylberechtigten in Privatwohnungen. Bayern halte sich an die Bundesgesetze und sehe "keinen Grund, davon abzuweichen", erklärte die Sprecherin. Aus medizinischen oder auch familiären Gründen sei überdies laut Gesetz eine Auszugsgestattung möglich. Diese sei bei der jeweiligen Bezirksregierung zu beantragten.

Laut der "Internationalen Föderation Iranischer Flüchtlinge" war der Iraner verheiratet und Vater eines Kindes, Ehefrau und Kind lebten jedoch weiter im Iran. Der Mann habe seit sieben Monaten in Würzburg gelebt. Als Reaktion auf den Tod plant die Organisation eine Protestaktion für den 13. Februar (12 Uhr) in Würzburg. Bereits am Montag hatten sich mehr als 50 iranische Asylbewerber vor dem Würzburger Rathaus zu einer spontanen Demonstration zusammengefunden.

 

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