Süddeutsche Zeitung, 20.02.2009

In die bayerische Asylpolitik ist Bewegung gekommen

Ein bisschen mehr Freiheit / Noch gibt es die Sammellager, doch Ministerin Haderthauer denkt an eine Verbesserung der Unterbringung

Unterkünfte wie in Neuburg sollen die Bereitschaft der Flüchtlinge zur Rückkehr in das Heimatland fördern, so will es der Freistaat. Foto: Ritchie Herbert
In die bayerische Asylpolitik ist überraschend Bewegung gekommen. Jahrelang stand der Freistaat im Ruf, hilfesuchende Flüchtlinge nicht gerade mit offenen Armen aufzunehmen, aber für seine restriktive Politik auch noch mehr Geld als andere Bundesländer auszugeben. In Bayern werden die Flüchtlinge gezwungen, in Sammelunterkünften zu leben. Es ist ihnen verboten, den Landkreis zu verlassen. Außerdem müssen sie essen, was ihnen die Behörde auf den Tisch stellt. Deshalb hat der EU-Kommissar für Menschenrechte schon im Jahr 2007 die Zustände in den Containerlagern des Freistaats massiv kritisiert. Trotzdem hat sich lange nichts geändert. Doch jetzt, fünf Monate nach der Landtagswahl, bewegt sich offenbar die CSU. Sozialministerin Christine Haderthauer hat jedenfalls bis zum nächsten Jahr die Schließung aller Asylcontainer in Oberbayern angekündigt. Generell soll nach dem Willen der Ministerin die Form der Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat überprüft werden.

Suraya Zahar (Name geändert) steht in der schmalen Küche und flüstert. "Das ist Stress für die Kinder", sagt die junge palästinensische Mutter aus dem Asylbewerberheim in Neuburg/Donau, "sie können hier nicht spielen und nicht Hausaufgaben machen, es gibt immer Streit." Sie trägt ein Kopftuch und spricht passables Deutsch. Ihr Sohn Omar drückt sich schüchtern in die Ecke und schweigt. Der Vierjährige weiß, dass er leise sein muss, denn sein Vater, der vor kurzem von der Nachtschicht heimgekommen ist, ist gerade eingeschlafen. Die Familie Zahar hat im "Block 1" der Sammelunterkunft nur ein einziges Zimmer für sich. Das sind 22,8 Quadratmeter für vier Personen, Küche und Toilette müssen sie mit zwei fremden Familien teilen. "Wir würden so gerne ausziehen, aber wir dürfen nicht", sagt Suraya Zahar.

Ihr Mann Said arbeitet seit fünf Jahren bei einem Autozulieferer in Neuburg. Sein größter Wunsch ist es, mit seiner Familie eine eigene Wohnung zu beziehen. Dann könnte er endlich auf eigenen Beinen stehen und würde den Staat weniger belasten. Aber er darf nicht. Weil sein Arbeitsvertrag nur befristet ist, verbietet ihm das bayerische Asylbewerberleistungsgesetz den Auszug aus der Sammelunterkunft. "Diese Situation ist untragbar, vor allem für die Kinder", sagt Rosmarie Scholz vom Diakonischen Werk Ingolstadt. "Das ist menschenunwürdig", betont Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Würden die Zahars in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Niedersachsen leben, wäre der Wechsel in eine Privatwohnung kein Problem. Nur in Bayern werden alle Flüchtlingsfamilien gezwungen, auf engstem Raum in Sammellagern zu hausen.

7600 Asylbewerber leben derzeit in Bayern, etwa 300 davon in der ehemaligen Neuburger Bundeswehr-Kaserne an der Donauwörther Straße. "Block 1" ist ein dreistöckiger Backsteinbau, in dem etwa 18 Familien wohnen. Wenn Said Zahar von der Nachtschicht heimkommt und sich hinlegt, müssen die Söhne Omar und Abdul das Zimmer verlassen. Im Sommer gehen sie ins Freie, im Winter wissen sie nicht wohin. "Bei Kindern, die in solchen beengten Lagern sozialisiert werden, bleibt was hängen", sagt Wilhelm Dräxler vom Münchner Caritasverband. "Diese Kinder sind mitunter traumatisiert, da kostet es mehr, die wieder geradezubiegen, als sie von Haus aus richtig unterzubringen."

Für diese widrigen Lebensbedingungen muss die Familie viel Geld bezahlen: Weil der Vater arbeitet, verlangt die Regierung von Oberbayern monatlich 387,67 Euro "Unterkunftsgebühr". Das ist ein stattlicher Preis für ein Zimmer mit Gemeinschaftsküche und -bad. Zum Vergleich: Für den gleichen Preis wäre auf dem freien Markt in Neuburg eine Dachgeschosswohnung mit 60 Quadratmetern zu mieten. Das wären etwa sieben Euro pro Quadratmeter. Für das Minizimmer in der Sammelunterkunft muss die Familie dagegen 17 Euro pro Quadratmeter zahlen. "Das ist nicht normal", sagt Mutter Suraya Zahar.

Sie betont, dass sie nicht auf Kosten des Staates besser wohnen will. Sie wünsche sich lediglich die Erlaubnis, auf eigenen Beinen stehen zu dürfen. "Ein Auszug in eine Privatwohnung wäre nicht nur menschenwürdiger, sondern würde auch sehr viel Geld sparen", sagt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Weil die Verwaltung der Lager und die Organisation der Essenspakete kostspielig sind, gab der Freistaat im Jahr 2006 pro Flüchtling 5885 Euro aus. Der Bundesschnitt lag um ein Viertel niedriger, bei 4242 Euro.

Integration ausgeschlossen

Während in anderen Bundesländern die Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen üblich ist, ist dies im Freistaat nur bei wenigen medizinisch begründeten Ausnahmefällen möglich. Viele Länder unterstützen die privat untergebrachten Familien mit Wohnzuschüssen - in Bayern müssen die Flüchtlingsfamilien dagegen in ghettoähnlichen Sammellagern leben. Eine Integration ist somit nahezu ausgeschlossen. Was offenbar so gewollt ist; denn nach wie vor gilt im Freistaat: "Die Verteilung und die Zuweisung (in Sammellager) darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern." (§ 7, Absatz 5, Bayerische Asyldurchführungsverordnung). Diesen Satz rügt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat als "beschämend für den Freistaat".

Auf Antrag der Grünen findet im April im Landtag eine Expertenanhörung zur Situation der Flüchtlinge in Bayern statt. "Die Asylbewerber sollen künftig nicht länger als ein Jahr in Sammelunterkünften leben müssen", fordert die Grünen-Abgeordnete Renate Ackermann. Brigitte Meyer, die Vorsitzende des Sozialausschusses von der FDP, unterstützt sie dabei: "Mein Wunsch ist es, dass die Gesetze ein bisschen lockerer und menschlicher werden."

Stefan Mayr

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