Landshuter Zeitung, 23.12.2012
"In Afghanistan droht uns der Tod"
Flüchtlinge und Mitstreiter demonstrieren für bedingungsloses Bleiberecht
Flüchtlinge und ihre Unterstützer haben am Samstag vor dem Rathaus einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. Sie sprachen sich für ein bedingungsloses Bleiberecht afghanischer Flüchtlinge aus. Die Kundgebung, an der sich mehr als 50 Menschen beteiligten, war Teil einer bayernweiten Aktion, die der Bayerische Flüchtlingsrat und die Flüchtlingsorganisation Karawane initiiert hatte. Das Publikum bestärkte die Flüchtlinge mit Plakaten und Sprüchen wie "Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall !"
Zu den üblichen Reden solcher Aktionen präsentierten die Organisatoren vor dem Rathaus Bilder, die die Menschenrechtsorganisation amnesty international zur Verfügung gestellt hatte. Auf diesen Bildern waren Ruinen, notdürftige Behausungen und Kinder, die barfuß im Schnee stehen, zu sehen.
Dies sei die wahre Situation in ihrer Heimat, sagten die afghanischen Redner. Kabul liegt auf 1800 Meter. Menschen erfrieren. Nazim Khammubariz aus Wörth erinnerte daran, dass in Afghanistan Krieg herrsche, die Wirtschaft am Boden liege und die Taliban auf dem Vormarsch seien. Kinder arbeiteten, statt in die Schule zu gehen.
Die relative Ruhe und Sicherheit, die mit dem seit einem knappen Jahrzehnt amtierenden Präsidenten Hamid Karzai einhergegangen sei, habe sich längst verflüchtigt. Von einer oft kolportierten Verbesserung der Situation könne nicht die Rede sein. Deshalb müssten seine Mitstreiter und er in Deutschland bleiben dürfen. Khammubariz: "Wenn wir abgeschoben werden, droht uns der Tod."
Obaid Abdullah, der in der Asylbewerberunterkunft in der Alten Kaserne lebt, forderte das Recht, in Deutschland studieren und arbeiten zu können. Bei diesem Anliegen würden seine Landsleute und er von der Karawane unterstützt. "Wir wollen uns hier einbringen und uns eine gute Zukunft aufbauen." Große Sorgen mache er sich, wenn deutsche Behörden Afghanen in ihr Heimatland abschieben wollten. "Dort kommen jeden Tag Menschen um." Roman Yousuf von der Asylbewerberunterkunft: "Wir können nicht zurück, solange unser Leben in Afghanistan bedroht ist."
Am Rande der Existenz
Kundgebungen gab es am Samstag in München, Nürnberg, Augsburg und Landshut. Der hiesige Hauptorganisator, Markus Geisel, sprach im Namen der Karawane Landshut und des Bayerischen Flüchtlingsrats. Er erinnerte daran, dass in Bayern rund 3000 Afghanen von einer möglichen Abschiebung betroffen seien. Was einem Abgeschobenen drohe, erzählte er am Beispiel eines Jugendlichen, der in Kabul auf der Straße lebt. Er müsse Kuriergänge machen, um zu überleben. Das bedeute nichts anderes, als dass er sich als Drogenkurier durchschlagen müsse. Angesichts solcher Umstände sei es zynisch, wenn das Bayerische Innenministerium davon ausgehe, dass man in Kabul ?ein kümmerliches Leben am Rande des Existenzminimums? fristen könne.
Die Lage in Afghanistan habe sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Der Verteidigungsminister, der Bundesnachrichtendienst und der Bundespräsident sprächen von kriegsähnlichen Zuständen, sagte Geisel und kritisierte die Gesetzeslage. Flüchtlinge könnten umgehend abgeschoben werden, etwa wenn sie die Residenzpflicht verletzten oder wenn sie beim Schwarzfahren erwischt würden. Dann gälten sie offiziell als kriminell. Unter großem Beifall forderte Markus Geisel, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. Darin ist unter anderem geregelt, dass Flüchtlingen die Mittel für Unterkunft, Hausrat, Ernährung, Kleidung und Körperpflegebedarf vor allem in Form von Sachleistungen gegeben werden.
Von Siegfried Rüdenauer
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