Der Neue Tag (Weiden), 11.04.2009
Im Haus der zerplatzten Träume
Besuch im Flüchtlingsheim Koppenlohe: Menschen ohne Heimat und ohne Perspektiven
Murat absolvierte eine Ausbildung zum Autolackierer. An der Schwandorfer Berufsschule klärte man ihn darüber auf, dass ihm der Start ins Berufsleben verwehrt bleiben würde. "Ich will aber arbeiten. Ich will Geld verdienen und mir eine Zukunft aufbauen", sagt er. Laut Gesetz ist dies für Flüchtlinge nicht vorgesehen.
Vermögen für Schleuser
Murats Familie stammt aus Syrien. Die Behörden dort verfolgten Vater und Mutter, weil sie der kurdischen Volksgruppe angehören. "Für die Syrer existieren wir nicht. Sie versuchen uns durch Willkür und Folter aus unseren Dörfern zu vertreiben. Und sie geben uns keine Papiere", erzählt Aldar, der Vater. Im Jahr 2000 kratzte er all seine Ersparnisse zusammen, um das Land verlassen zu können. 10 000 Dollar musste er für gefälschte Pässe und ein Flugticket nach Frankfurt am Main hinlegen. "Das war unsere einzige Chance", sagt er.
Das Leben in Deutschland hatte sich die fünfköpfige Familie anders vorgestellt. Die ersten sechs Jahre teilte ihnen das Ausländeramt im Flüchtlingsheim Teublitz-Koppenlohe einen einzigen Raum mit 20 Quadratmetern zu. Er war Wohn-, Schlaf- und Esszimmer zugleich. Nach bayerischem Gesetz, dürfen Asylsuchende keine geregelte Arbeit aufnehmen. Außerdem ist es ihnen verboten, den Landkreis, in dem sich ihr Heim befindet, zu verlassen. "Der Gesetzgeber hat diese Restriktionen ganz bewusst gewählt", erklärt Marion Puhle vom Regensburger Flüchtlingsforum. Die "Durchführungsverordnung Asyl" benennt offen, warum: Die Unterbringung in Flüchtlingslagern soll "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern".
Für jeden Flüchtling gibt es jede Woche ein Essenspaket und pauschal 40 Euro Taschengeld pro Monat. "Das war es dann aber auch", sagt Puhle, die die Mär von erschlichenen Sozialleistungen nicht mehr hören kann. "Hier wird zum Teil hochqualifizierten Menschen, die arbeiten und sich in unsere Gesellschaft einbringen wollen, jede Perspektive genommen." Oberste Maxime der Asylpolitiik ist, die Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie Aldar aus Syrien meint. Würde er in Damaskus landen, wäre er den staatlichen Behörden ausgeliefert. "Wer in Deutschland Asyl beantragt hat, ist in Syrien so gut wie tot", sagt er. Horrorgeschichten von eingesperrten, gefolterten oder gar ermordeten Rückkehrern kann jeder erzählen, der in Koppenlohe wohnt.
Petition an Landtag
Doch die Abschiebung schwebt wie ein Damoklesschwert über fast allen Menschen in der Anlage - vom Kleinkind bis zum Greis. Wer zum Beispiel mehrere Male unerlaubt die Landkreisgrenze übertritt, dem droht die Einstufung als wiederholt straffällig. Ebenso dem, der sich nach deutschem Befinden nicht ordentlich ausweisen kann. Aber wie soll sich jemand ausweisen, dem sein Herkunftsland nie Papiere ausgestellt hat und dem auch die zuständige Botschaft in Berlin nicht zu persönlichen Dokumenten verhilft?
Marion Puhle will die Öffentlichkeit aufrütteln. "Diese Menschen haben keine Lobby", sagt sie. Sie sind Menschen, aber eben keine Deutsche, keine Steuerzahler und keine Wähler. Per Petition kämpft der Bayerische Flüchtlingsrat darum, dass die Flüchtlinge nicht zwingend in einer lagerähnlichen Wohnanlage untergebracht werden müssen und dafür, dass sie sich zumindest innerhalb von Bayern frei bewegen dürfen. Für 23. April lädt der Landtag zu einer Expertenanhörung ein und Vertreter des Flüchtlingsrates sitzen mit am Tisch. Jamila, die resolute Mutter der Familie, lobt ausdrücklich die Caritas für ihr Beratungsangebot und die Hilfen im Alltag. Trotzdem hat sie resigniert: "Viele Deutsche meinen, wir sollten da hingehen, wo der Pfeffer wächst. Da sind wir längst."
Weitere Informationen im Internet:
http://www.fluechtlingsrat-bayern.de
Uli Piehler