Regensburg Digital, 10.02.2010
Hungerstreik und andere Kleinigkeiten
15 Tage Hungerstreik in Breitenberg und Passau. Ernstzunehmende politische Reaktionen hat dieser Protest von 16 Flüchtlingen bislang nicht gezeitigt. Trotz zunehmender Solidarität in anderen Lagern. Innenminister Joachim Herrmann hält die Forderungen der Flüchtlinge für „überzogen”. Ein vor kurzem veröffentlichtes Positionspapier der CSU bekräftigt die harte Haltung im Umgang mit Asylbewerbern.
Dafür gibt es erste Schikanen. Wegen eines angeblich an die Wand geworfenen Jogurts (!) wurde einer der 16 Beteiligten von der Heimleitung angezeigt. Die Polizei rückte an, stellte einen Jogurtbecher sicher und nahm den Mann zum Verhör mit. Ein Amtsarzt verweigerte nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen anfänglich die Behandlung der Hungerstreikenden.
Unterdessen war in der Süddeutschen Zeitung am Wochenende von einem „Hungerstreik light” und einer Inflation des Hungerstreiks die Rede. Kurz darauf wurde bekannt, dass einer der Beteiligten, ein 23jähriger Israeli, einen Suizidversuch unternommen hat. Light vermutlich, er hat es nämlich überlebt und ist jetzt im Bezirksklinikum Mainkofen untergebracht. Da freut es, dass die Regierung von Niederbayern erklärt: „Wir bedauern diesen Vorfall, egal wie ernst es gemeint war”.
Das Versprechen, sich um schnellere Arbeitsgenehmigung zu kümmern, hat die Regierung offenbar nicht eingelöst. Dafür wurde mitgeteilt, dass die Verfahrensweise im Landkreis Passau sich nicht von der bayernweiten Praxis unterscheide.
Ohnehin richten sich die Forderungen der Flüchtlinge in erster Linie an die Landesregierung. „Wir wollen Bewegungsfreiheit in ganz Bayern. Wir wollen das Recht auf Arbeit. Wir wollen keine Pakete mehr. Wir wollen Bargeld, damit alle das kaufen können, was sie wollen. Denn die 40 Euro sind einigen unserer Bedürfnisse nicht angemessen”, heißt es in einem Aufruf, den die Flüchtlinge vergangene Woche veröffentlicht haben.
„Seit dem SZ-Bericht lassen sich die Hungerstreikenden in Hauzenberg täglich von der Heimleitung wiegen”, erzählt Thomas Ott von der Flüchtlingsorganisation Karawane. Zwischen zehn und zwölf Kilo haben sie im Schnitt verloren.
Ob das reicht, damit die Forderungen der Flüchtlinge ernst genommen werden? Oder muss der Gewichtsverlust noch etwas steigen? Vielleicht müssen erst ein paar verhungern, um von einem „echten” Hungerstreik reden zu dürfen. Das kann freilich dauern. Allein bis man bettlägrig wird, kann es über 30 Tage dauern. RAF-Mitglied Holger Meins überlebte 57 Tage, ehe er an Entkräftung starb, Bobby Sands von der IRA brachte es auf 66 Tage.
Vielleicht braucht es gleich eine zünftige Selbstverbrennung, um die bayerische Staatsregierung auf den Gedanken zu bringen, dass das Verbot, seinen Landkreis zu verlassen, die Entmündigung durch Essenspakete, Arbeitsverbot und Lagerunterbringung menschenunwürdig sein könnte. Wobei – das haben schon diverse Suizidversuche in der Vergangenheit nicht bewirken können. Selbst wenn sie erfolgreich waren. Was kümmert da schon ein Hungerstreik …
Am Freitag findet um 15 Uhr beim Hauptbahnhof Passau eine Unterstützungsdemo für die Hungerstreikenden statt.